Es ist ein ewiges Thema und war auch einer der wichtigsten Gründe dafür, die Union für die Rechte von Gefangenen ins Leben zu rufen: Die Arbeitssituation im Gefängnis.
Kurz zusammengefasst: Gefangene haben eine Arbeitspflicht, aber kein Recht auf Arbeit. Sie sind dabei nicht kranken- und pensionsversichert, haben keinen Anspruch auf Krankenstand oder Urlaub – und verdienen sehr wenig.
Dazu ein Rechenbeispiel: Florian A. ist gelernter Tischler und Gefangener. Nach dem gültigen Kollektivvertrag für diese Berufsgruppe hätte er Anspruch auf einen Mindestlohn von 13,28 € brutto pro Stunde. Damit käme er auf einen Nettojahreslohn von 23.663 € und würde den Arbeitgeber 40.283,50 € kosten.
Die Arbeitsvergütung im Gefängnis richtet sich allerdings nicht nach den Kollektivverträgen, sondern nach §52 Strafvollzugsgesetz und dem Grundsatzerlass zu diesem Thema. Und diese Vorgaben sind für die Firmen billig, bringen für die Justizanstalten Einkommen und beuten die Gefangenen aus. Schauen wir uns das genau an: Die Kosten für Arbeit im Gefängnis sind für verschiedene Arbeitgeber*innen unterschiedlich. Der Basistarif für FacharbeiterInnen beträgt 11,45€, liegt also deutlich unter dem Mindestlohn für TischlerInnen. Dieser Tarif wird privaten AuftraggeberInnen verrechnet. RichterInnen und StaatsanwältInnen zahlen 90% dieses Tarifs, JustizbeamtInnen 40%. Florian A. arbeitet bei einer sogenannten sozialen Einrichtung, die 50% dieses Tarifs bezahlt, ohne Arbeitgeberkosten und ohne 13. und 14. Gehalt. Pro Jahr sind daher 11.461,45 € zu bezahlen.
Das ist der Tarif, der nach außen gilt; den FacharbeiterInnen wird ein Stundenlohn von 9,2€ berechnet, von denen allerdings 75% bei der Justizanstalt bleiben. Des Weiteren wird noch die Arbeitslosenversicherung abgezogen; der Nettostundenlohn beträgt damit 1,96€ pro Stunde, bzw. 3.924 € pro Jahr, wenn 12 Monate ohne jeden Ausfall gearbeitet werden.
Allerdings ist Florian A. nicht als Tischler beschäftigt, obwohl er immer wieder kleinere Tischlereiarbeiten erledigt. Er wird nach dem Tarif für handwerkliche Arbeiten bezahlt und bekommt damit 1,89€ pro Stunde. Selbstverständlich hat er sich weder die Arbeit noch den Arbeitgeber ausgesucht; die werden ihm von der Justizanstalt zugewiesen. Er hat also keinen Einfluss darauf, welche Arbeit er macht und welche Bezahlung er dafür erhält.
Aber trotzdem hat er – im Vergleich zu anderen – Glück, doppelt Glück, wenn man so will. Erstens hat er das Glück, überhaupt eine Arbeit zu haben. Denn nicht für alle Gefangenen wird Arbeit gefunden und diejenigen, für die es keine Arbeit gibt, erhalten gerade mal 0,36€ pro Stunde als Ersatz für den entgangenen Arbeitslohn. Das betrifft auch viele Gefangene, die eigentlich im Gefängnis arbeiten, denn sehr häufig bleiben die Werkstätten wegen Personalmangels bei den JustizwachebeamtInnen geschlossen. Das ist das zweite Glück von Florian A.: Er ist Freigänger, arbeitet also außerhalb von der Justizanstalt, in einem Betrieb, der es sich nicht leisten kann, über Tage oder Wochen geschlossen zu bleiben.
Doch das Glück über eine Arbeit, bei der man weniger als 2€ verdient, hält sich natürlich in Grenzen. Und es wäre zumindest schön, wenn der eigene Einsatz bei der Arbeit zusätzlich zu diesem Hungerlohn honoriert würde. Durch Prämien beispielsweise, wie sie Florians Kollege René B. bekommt. Der ist auch Gefangener, aber in einer anderen Justizanstalt. Florian und René machen zumeist die gleiche Arbeit, aber da Florian gelernter Tischler ist, wird er auch zu Tischlerarbeiten herangezogen. René hat keinen Lehrabschluss. Warum also bekommt René, der im Zweifelsfall weniger am Arbeitsplatz leisten kann, eine Prämie und Florian bekommt keine?
Im Strafvollzugsgesetz regeln §53 und §55 die Möglichkeiten von „außerordentlicher Arbeitsvergütung“ und „Geldbelohnung“. Laut Gesetz sind die Bedingungen für diese Geldleistungen „besondere Leistungen bei der Arbeit“, bzw. „persönlicher Einsatz in den Arbeitsbetrieben“. In beiden Fällen entscheiden aber die Anstaltsleiter*innen über die Auszahlung von Prämien und zwar nicht nur auf Grundlage der Arbeitsleistung, sondern von besonderen Leistungen allgemein. Diese „besonderen Leistungen“ bleiben – wie so vieles im Strafvollzug – außerordentlich unbestimmt: Nach welchen Kriterien entscheiden AnstaltsleiterInnen hier? Was sind besondere Leistungen, wie können diese erbracht werden? Es kommt zumindest der Verdacht auf, dass es hier einen großen Spielraum für Willkür gibt. Oder auch andere Kriterien als die Leistungen und das Verhalten des Gefangenen eine Rolle spielen. Als Florian A. nachfragte, warum er im Unterschied zu René B. keine Prämie bekommt, wurde ihm gesagt, dass das im Budget seiner Anstalt nicht vorgesehen sei …
Florian und René arbeiten mit anderen ArbeiterInnen zusammen, die für die gleiche Arbeit deutlich mehr verdienen. Und es Florian und René auch spüren lassen, dass sie nicht dazu gehören, dass sie die „Sträflinge“ sind. Und die Vorgesetzten lassen das nicht nur zu, sondern unterstützen diese Einteilung in zwei Klassen von Arbeitskräften noch.
Fassen wir zusammen: Laut §20 (1) Strafvollzugsgesetz soll „(d)er Vollzug der Freiheitsstrafen (…) den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen.“ Diesem Ziel dient auch die Arbeit im Gefängnis, die als Resozialisierungsmaßnahme definiert ist, nicht als Lohnarbeit. (Dies war das Hauptargument gegen die Gründung einer Gefangenengewerkschaft.) Daher hält auch §47 (1) fest: „Bei der Zuweisung der Arbeit ist auf den Gesundheitszustand, das Alter, die Kenntnisse und Fähigkeiten des Strafgefangenen, die Dauer der Strafe, das Verhalten des Strafgefangenen im Vollzuge und sein Fortkommen nach der Entlassung, endlich auch auf seine Neigungen angemessene Rücksicht zu nehmen.“ Allerdings gibt es hier noch den Zusatz: „Die Art der Beschäftigung darf nur geändert werden, wenn es zur sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Führung der Anstalt geboten ist.“
Diese Ausnahmebestimmung trifft nicht nur auf Florian A., sondern auch auf zahlreiche andere Gefangene zu, die irgendeine Arbeit verrichten, die nicht ihren Fähigkeiten oder Neigungen entspricht und deren Beitrag zum Fortkommen nach der Entlassung fraglich ist. Aber vermutlich lässt sich argumentieren, dass diese Art der Arbeit zur Anpassung an die Erfordernisse unserer Gesellschaft beiträgt. Denn Gefangene werden nicht nur im Gefängnis ausgebeutet und diskriminiert, sondern zumeist auch nach ihrer Entlassung. Ist das also das Ziel von Arbeit im Gefängnis?