Durch Technologie zum Rechtsstaat – so lautet das Motto zahlreicher Legal Tech Start-ups, die sich in jüngster Zeit in ganz Afrika ausbreiten und sich zum Ziel gesetzt haben, mit Hilfe von digitalen Tools einen demokratischen Zugang zu Recht und Gesetz zu ermöglichen.
Mehr als die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung lebt in Armut, sodass Rechtsdienstleistungen ein Privileg derer sind, die über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Sprachbarrieren, hohe Anwaltskosten und die Komplexität der Gesetze machen den Zugang zum Recht in vielen afrikanischen Ländern für die Mehrheit der Bevölkerung völlig unzugänglich. Hinzu kommt, dass es im Verhältnis zur Einwohnerzahl der afrikanischen Länder nur wenige RechtsanwältInnen gibt. So hat z. B. Äthiopien nur ca. 4000 AnwältInnen auf 110 Millionen Einwohner. Im Vergleich dazu hat Österreich ca. 6.800 AnwältInnen bei entsprechend weniger EinwohnerInnen von 9,1 Millionen. Erschwerend wirkt sich aus, dass Rechtsdokumente selbst für Gerichte und AnwältInnen nur schwer zugänglich sind, sodass sich oft nicht an früheren Entscheidungen orientiert werden kann, weil der freie Zugang zu den Dokumenten schlichtweg fehlt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele Menschen in Afrika gar nicht wissen, welche Rechte sie haben und welche Möglichkeiten es gibt, diese durchzusetzen. Um diesem Problem zu begegnen, gibt es mittlerweile zahlreiche Organisationen, die sich zum Ziel gesetzt haben, den Zugang zum Recht zu verbessern.
In den letzten Jahren wurden insbesondere einige Legal Tech Start-ups gegründet, die der Bevölkerung mit Hilfe von neuesten Technologien einen einfacheren Zugang zum Recht ermöglichen möchten. Doch was ist Legal Tech überhaupt? Legal Tech steht für die Verbindung von Technologie und Recht und bedeutet, dass digitale Lösungen eingesetzt werden, um juristische Dienstleistungen zu automatisieren und damit wesentlich effizienter, kostengünstiger und schneller zugänglich zu machen.
Rechtberatung auf dem Smartphone
So hat beispielsweise das Legal Tech Start-up „Legal Standpoint“ eine App entwickelt, die ihren NutzerInnen einen vereinfachten und zugleich kostengünstigen Zugang zu Rechtsberatung ermöglicht. Die App stellt somit eine Schnittstelle zwischen Technologie und Recht dar und trägt zu einem demokratischeren Zugang zu Rechtsdienstleistungen bei.
Gegründet wurde Legal Standpoint von Keitumetse Pule (23) aus Johannesburg und Phemelo Matie (20) aus Kapstadt. Getreu nach dem Motto: „Gesetz ist das Einzige, was für uns alle gilt“, betonen die Gründerinnen des Start-ups, dass sie allen BewohnerInnen Südafrikas den Zugang zu guter und qualitativ hochwertiger Rechtsberatung ermöglichen wollen. Darüber hinaus ist es das Ziel, in Zukunft sogar in ganz Afrika den Zugang zu Rechtsdienstleistungen auf einer einheitlichen Plattform für jedermann und vor allem leicht verständlich anzubieten.
Mehrfach ausgezeichnet
Bereits kurz nach dem Start der App, Mitte des Jahres, haben sich über 1.500 NutzerInnen registriert, denen insgesamt 14 AnwältInnen zur Verfügung stehen, wobei sich deutlich mehr JuristInnen angemeldet haben, die jedoch aufgrund der hohen Verifizierungsmaßnahmen abgelehnt werden mussten. Die App hat bereits mehrere Preise gewonnen und wird sehr gut angenommen. So wurden die Gründerinnen im März dieses Jahres zu einer Präsentation („Pitch“) ihres Projekts an die Harvard Business School eingeladen und als eines der fünf besten demokratiefördernden Start-ups in ganz Afrika ausgezeichnet.
Herausforderungen im Zusammenhang mit neuen Technologien
Laut Keitumetse Pule bestand die größte Herausforderung darin, die Rechtsbranche mit den neuen Technologien vertraut zu machen. Es ist kein Geheimnis, dass VertreterInnen der Rechtsberufe neuen Technologien zu Beginn eher skeptisch gegenüberstehen. Die Hauptaufgabe bestand daher darin, die JuristInnen mit den neuen Technologien vertraut zu machen und ihnen die damit einhergehenden Möglichkeiten und Chancen aufzuzeigen.
Welchen Mehrwert bietet die App?
Neben der Hauptfunktion, der kostengünstigen Rechtsberatung, stellt die App ihren NutzerInnen eine Bibliothek mit leicht verständlichen, mehrsprachigen Artikeln zur Verfügung, um sich auf einfache Weise selbst mit dem Gesetz vertraut zu machen. Die App umfasst mittlerweile mehr als 200 Artikel aus verschiedenen Kategorien wie z. B. Wirtschaft, Bankenwesen oder Familienrecht. Über ein Quiz haben die NutzerInnen zudem die Möglichkeit, ihren Wissensstand laufend zu testen und zu überprüfen, wie gut sie ein Thema verstanden haben. Die App ermöglicht nicht nur den Rechtssuchenden einen leichteren Zugang zur Rechtsberatung, sondern bietet auch den Beratenden eine benutzerfreundliche Plattform, um mit potenziellen KlientInnen in Kontakt zu treten.
Zukunft der Legal-Tech Branche in Afrika
Legal Tech hat in Afrika großes Potenzial. Die meisten Apps helfen dabei, die Bevölkerung überhaupt erst mit dem Gesetz in Kontakt zu bringen und sie über ihre Rechte aufzuklären. So gibt es Apps, die über AI-Chatbots Beratung in verschiedenen Rechtsgebieten anbieten, bis hin zu Apps wie Legal Standpoint, die eher als eine Art Vermittlungsplattform dienen, um KlientInnen mit den RechtsberaterInnen zusammenzubringen.
Gerade die Möglichkeit, viele unterschiedliche Menschen über eine digitale Plattform zusammenzubringen und einen Austausch zu ermöglichen, wird in der heutigen Zeit immer wichtiger. Vor allem durch COVID-19 hat die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren und interagieren, eine völlig neue Ausrichtung bekommen und zu einer Beschleunigung solcher Technologien geführt. Auch die Gründerin von Legal Standpoint Keitumetse Pule ist der Meinung, dass Technologie in Zukunft ein zentraler Bestandteil unserer Kommunikation sein wird und es daher umso wichtiger ist, diese Technologien frühzeitig einzusetzen und die Bevölkerung damit vertraut zu machen.