Opposition kritisiert kurzfristige Vorgehensweise

Das von den Regierungsparteien im Parlament eingebrachte Strafprozessänderungsgesetz 2024 hat heute den Justizausschuss des Nationalrats passiert. ÖVP und Grüne stimmten dafür, die neuen Regeln für die Sicherstellung und Datenauswertung von Handys und anderen elektronischen Geräten ans Plenum weiterzuleiten. Kritik am Einbringen der Materie als kurzfristigen Initiativantrag kam von der Opposition. Justizministerin Alma Zadić sagte dazu, dass aufgrund der drängenden Zeit der vorliegende Initiativantrag eingebracht wurde, die Vorlage aber zudem auch als Ministerialentwurf dem Parlament übermittelt worden sei. Für letzteren gebe es nunmehr zumindest zwei Wochen die Möglichkeit für Stakeholder, Stellungnahmen abzugeben.

Beschlagnahme von Handys nur mit richterlicher Bewilligung

Anlass für die Neuregelung der Auswertung von Handydaten ist ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom Dezember 2023. Demnach darf die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme von Handys und anderer elektronischer Geräte künftig nur noch auf Grundlage einer gerichtlichen Bewilligung anordnen. Dabei muss bereits festgelegt werden, welche Art von Daten und Inhalten für die Ermittlungen benötigt werden, auch der betroffene Zeitraum ist schon vorab anzugeben. Nur diese „bewilligten“ Daten dürfen in weiterer Folge ausgewertet werden. Bei „Gefahr in Verzug“ ist eine vorläufige Sicherstellung des Datenträgers durch die Kriminalpolizei möglich, wobei es für einen Datenzugriff auch in solchen Fällen eine gerichtliche Bewilligung braucht. Ebenso ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, eine richterliche Genehmigung einzuholen, wenn neue Verdachtsmomente dazukommen und sie daher weitere Daten auswerten will.

Im Sinne eines besseren Schutzes der Persönlichkeitsrechte ist außerdem jenen Personen, deren Datenträger und Daten beschlagnahmt wurden, zu ermöglichen, die Ergebnisse der Datenaufbereitung einzusehen und ergänzende Auswertungen zu veranlassen. Sie sollen von der Staatsanwaltschaft über ihr Recht informiert werden. Außerdem sollen sie beantragen können, dass Daten aus dem Ergebnis der Datenaufbereitung vernichtet werden, wenn sie keine Beweismittel darstellen.

Weiterhin ohne richterliche Bewilligung soll die Sicherstellung von Daten möglich sein, die mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wurden. Ebenso werden mit dem Gesetzentwurf Regelungen für die Beschlagnahme von Daten, die in anderen Speicherorten als einem Datenträger gespeichert sind – zum Beispiel Cloud-Services oder Server – getroffen.

Darüber hinaus bringt das umfassende Gesetzespaket auch zahlreiche weitere Neuerungen. So können Beschuldigte künftig bereits nach zwei Jahren die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen zu langer Dauer beantragen. Derzeit ist eine Prüfung erst nach drei Jahren vorgesehen. Außerdem erhalten Verbrechensopfer die Möglichkeit, gegen eine Anzeigenrücklegung vorzugehen. Auch durch die Ausweitung der Prozessbegleitung für minderjährige Zeugen von Gewalt und weitere Maßnahmen soll der Opferschutz verbessert werden. Vereinfachte Regeln zur Einleitung von Ermittlungsverfahren sollen die Staatsanwaltschaften entlasten.

Kritik zu einer „Symphonie der Beschuldigtenrechte“

Der Stichtag für eine Neuregelung für die vom VfGH aufgehobene Passage sei der 1. Jänner 2025, sagte Georg Bürstmayr (Grüne). Auch im Hinblick auf die zu Ende gehende Gesetzgebungsperiode bestehe daher Zeitdruck. Andernfalls könne es ab 2025 „gar keine Sicherstellungen mehr“ geben, wenn das Thema nach den Neuwahlen nicht rasch genug geregelt werden könne, so Bürstmayr. Zudem seien im Vorfeld viele Stakeholder eingebunden gewesen, wobei deren Kritik in unterschiedliche Richtungen gegangen sei – manchen gehe der Eingriff zu weit, anderen nicht weit genug. Ähnlich wie Ministerin Zadić wies Bürstmayr darauf hin, dass nunmehr parallel eine zweiwöchige Begutachtung zum Ministerialentwurf laufe. Aus seiner Sicht sei mit dem Entwurf eine ausgewogene Regelung zwischen Transparenz und den Rechten von Beschuldigten gelungen. Klaus Fürlinger (ÖVP) hob unter anderem aus den Neuregelungen hervor, dass künftig nur jene Daten verwendet werden sollen, die im jeweiligen Verfahren tatsächlich schlagend seien. Insgesamt bezeichnete er die Gesetzesvorlage als ein „großes Werk“ und eine „Symphonie der Beschuldigtenrechte“.

Selma Yildirim (SPÖ) kritisierte die Form der kurzfristigen Einbringung und meinte inhaltlich, dass sie zwar einige Verbesserungen erkennen könne, im Ausschuss aber noch nicht zustimme. Vielmehr wolle sie abwarten, wie sich etwa die Standesvertretung der Staatsanwält:innen äußern werde. Zu befürchten sei außerdem, dass mit der Komplexität zugleich mehr Aufwand für die jeweiligen Stellen entstehe. Daher seien die Ressourcen im Auge zu behalten. Johannes Margreiter (NEOS) kann dem Gesetzesvorschlag zwar auch Positives abgewinnen. Nicht nachzuvollziehen sei aber aus seiner Sicht, warum digitale Daten nicht analog zum Briefgeheimnis geregelt würden, wo es eine qualifizierte Anlasstat zur Beschlagnahme brauche. Zudem sei eine seriöse Aufarbeitung der Materie in der Kurzfristigkeit nicht möglich und die Vorgehensweise des Einbringens eine „Zumutung“. Das Thema sei wichtig und man habe schon lange auf einen Vorschlag gewartet, meinte Harald Stefan (FPÖ). Enttäuschend sei allerdings die nunmehrige Kurzfristigkeit und die aus seiner Sicht mangelnde Einbindung der wesentlichen Akteure. Er vermute dennoch, dass viele der Punkte sinnvoll seien und werde bis zum Plenum offen lassen, ob er dem Paket zustimmen könne.

Sie könne die Kritik an der Vorgehensweise nachvollziehen, räumte Justizministerin Alma Zadić ein. Man habe bis zuletzt an der Vorlage gefeilt und nunmehr entschieden, das Vorhaben noch in dieser Gesetzgebungsperiode zu realisieren. Aus ihrer Sicht sei alles getan worden, die Stakeholder einzubinden. Auch Stellungnahmen könnten jetzt abgegeben werden, zumal es sich um eine umfassende Reform der Strafprozessordnung handle, für die es diese auch brauche. Zadić ging auf zahlreiche Punkte der Reform ein, die über die Handyauswertung hinaus überarbeitet worden seien. So werde etwa klargestellt, wann ein Anfangsverdacht in ein Ermittlungsverfahren münde und ab wann es damit Beschuldigtenrechte und etwa Akteneinsicht gebe. Mit weiteren rechtlichen Möglichkeiten zu Cybercrimeermittlungen würde zudem die Strafprozessordnung in die Neuzeit gebracht. Außerdem sollen künftig „endlich“ letztinstanzliche Entscheidungen der Landesgerichte veröffentlicht werden, so die Ministerin.

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