Die Verhängung von Freiheitsstrafen ist derzeit die häufigste Form der Sanktionierung und Entmündigung im nepalesischen Rechtssystem dar, was zu einer erheblichen Überbelegung der Gefängnisse führt. Diese Entwicklung stellt vielerorts ein großes Problem dar. So sind Drogenmissbrauch, Gewalt und Überfüllung kennzeichnend für das Leben in nepalesischen Haftanstalten.
Die Überbelegung von Gefängnissen ist in vielen Ländern der Welt, sowohl in Entwicklungs- als auch in Industrieländern, ein weit verbreitetes Problem. Es betrifft nicht nur die Strafvollzugsbehörden, sondern stellt auch eine ernsthafte Bedrohung für die Strafrechtssysteme selbst dar. So auch in Nepal. In diesem Zusammenhang ist von Drogenmissbrauch, Glücksspielringen und Gewaltausbrüchen innerhalb der Gefängnismauern die Rede. Mit der zunehmenden Verhängung von Haftstrafen stehen die Gefängnisverwaltungen in Nepal vor zahlreichen Herausforderungen. Diese ergeben sich aus der hohen Anzahl an Gefangenen, die die Kapazitätsgrenze der Haftanstalten kontinuierlich überschreiten. Die derzeitige Gefängnispopulation beläuft sich auf etwa 27.550 Gefangene. Vor rund fünf Jahren waren es noch 18.811 Inhaftierte, was einem Anstieg von 31% entspricht.
Nepalesische Gefängnislandschaft
Derzeit gibt es in ganz Nepal insgesamt 74 Haftanstalten. Das erste Gefängnis wurde 1971 gegründet und ist heute als Zentralgefängnis bekannt, es ist das größte seiner Art im Land. Von den 77 Distrikten Nepals verfügen 72 über mindestens ein Gefängnis, während in Kathmandu und Dang jeweils zwei Haftanstalten existieren. Doch nur ein Gefängnis im ganzen Land, ist speziell für Untersuchungshäftlinge vorgesehen. Aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters und fehlender Investitionen in den letzten Jahren mangelt es den meisten Haftanstalten an grundlegenden Einrichtungen, die eine angemessene Verpflegung, medizinische Versorgung und Erholungsmöglichkeiten für die Gefangenen vorsehen. So sind die Gefängnisse seit ihrer Erbauung weitgehend unverändert geblieben und verfügen immer noch über die gleichen Räumlichkeiten wie zur Zeit ihrer Errichtung, dies trägt maßgeblich zu den oben genannten Missständen bei. Obgleich das Gesetz verschiedene Versorgungsmaßnahmen vorsieht, werden diese oft nicht eingehalten. So sieht Artikel 22 des Strafvollzugsgesetzes vor, dass Gefangene mindestens alle zwei Wochen ärztlich untersucht werden müssen. Eine 2018 durchgeführte Studie mit dem Titel „Health needs and risky behaviours among inmates in the largest prison of eastern Nepal“ zeigt jedoch eine ganz andere Situation: Von 434 TeilnehmerInnen haben 84% mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. In diesem Kontext wird insbesondere auf den Mangel an medizinischen und psychiatrischen Betreuungseinrichtungen sowie Suchthilfeeinrichtungen innerhalb der Haftanstalten hingewiesen, die zu einer nachhaltigen Verbesserung des Gesundheitszustandes der Inhaftierten beitragen würden.
Wie sieht die Realität im nepalesischen Strafvollzug aus?
Die Gefängnisse werden von sogenannten Chaukidars (nepalesisch für „Wächter“) beherrscht, die für die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung verantwortlich sind. Einigen Berichten zufolge betreiben diese auch eigene Glücksspielringe innerhalb der Gefängnismauern. Den Insassen wird mit Folter gedroht, wenn sie rebellieren oder ihre Schulden nicht bezahlen. Ein Teil des so erwirtschafteten Geldes fließt an das Gefängnispersonal, um die von den Chaukidars verübten Menschenrechtsverletzungen zu dulden. Vor diesem Hintergrund sind die Gefangenen Zwangsarbeit, Ausbeutung und Bandengewalt ausgesetzt, so dass die Situation eines Gefängnisses im Gefängnis entsteht. Selbst AnwältInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen ist der Zugang zu den Haftanstalten verwehrt. Lediglich die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) und die Generalstaatsanwaltschaft haben theoretisch das Recht, die Haftanstalten zu besuchen, was aber in der Praxis kaum geschieht. Insofern sind die oben genannten Vorkommnisse wenig überraschend, da ihnen erhebliche institutionelle Probleme zugrunde liegen.
Missstände in den Gefängnissen
Einem Bericht der Generalstaatsanwaltschaft zufolge verfügen 25 der 51 Gefängnisse, in denen Stichproben durchgeführt wurden, über Zellen mit unzureichendem oder gar keinem Zugang zu Tageslicht. Es ist die Rede von prekären sanitären Verhältnissen, Mangel an Trinkwasser, ausreichend nahrhaftem Essen und medizinischer Versorgung. Zusammengefasst werden die hygienischen Zustände als menschenunwürdig bezeichnet. In einigen Gefängnissen des Landes übersteigt die Zahl der Insassen die Kapazität der Anstalt um mehr als das Doppelte. Diese systematische Überbelegung führt zu einer Vielzahl von Problemen innerhalb der Gefängnismauern. Zu den bereits angeführten Problematiken zählen der Drogenmissbrauch, die Gewalt sowie eine signifikante Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen sowohl der Gefangenen als auch des Gefängnispersonals. Der Begriff der Überbelegung umfasst dabei nicht nur die reine Knappheit von Betten, sondern auch weitere Faktoren, die die allgemeine psychische und physische Verfassung der Insassen, die Hygienestandards sowie das Auftreten von Gewalt beeinträchtigen. Insgesamt stellt die Überbelegung somit auch ein Hindernis für die Realisierung der Ziele dar, die mit einem zeitgemäßen Strafvollzugssystem verbunden sind.
Gründe für die Überlastung der Haftanstalten
Die Hauptursache für die Überbelegung der Haftanstalten wird allgemein auf Verzögerungen bei der Anklageerhebung zurückgeführt. In den Gerichten des Landes gibt es zudem erhebliche Rückstände. Der daraus resultierende große Rückstau an Fällen führt regelmäßig zu langen Wartezeiten auf Urteile. Ein großes Problem ist außerdem der Mangel an alternativen Sanktionsmöglichkeiten. In Nepal gilt die Haftstrafe als eine der effektivsten Sanktionen im Rechtssystem.Alternativen sind kaum vorhanden. Maßnahmen wie Bewährung, elektronischer Hausarrest oder gemeinnützige Arbeit sind im nepalesischen Strafrechtssystem vergeblich zu suchen. Dies impliziert, dass lediglich zwei Optionen existieren: Geld- oder Freiheitsstrafe. Doch in Anbetracht der prekären sozioökonomischen Lage sind viele Verurteilte nicht in der Lage, eine verhängte Geldstrafe rechtzeitig zu begleichen, geschweige denn, überhaupt in voller Höhe. Dies hat zur Konsequenz, dass bei nicht fristgerechter Einbringung von Geldstrafen den Betroffenen mehrere Jahre Haft drohen. Aber auch die öffentliche Wahrnehmung von Kriminalität prägt das Strafrechtssystem Nepals. Insbesondere die Art und Weise, wie Print- und Onlinemedien über die Kriminalität im Land berichten, führt seit Jahren zu erheblichen Problemen wie Überkriminalisierung, Überverfolgung und Überverurteilung von Straftaten. Tatsächlich besteht jedoch kaum ein Zusammenhang zwischen der Kriminalitätsberichterstattung und der tatsächlichen Kriminalitätsverteilung in der Bevölkerung. So ergab eine Studie, dass sich 40-50 Prozent aller Berichte auf Tötungsdelikte beziehen, während die tatsächlich gemeldeten Fälle von Tötungsdelikten nur einen sehr geringen Prozentsatz aller Straftaten im Land ausmachen. Diese systematische Übertreibung hat die öffentliche Meinung nachhaltig negativ beeinflusst und verzerrt.
Folgen der Missstände
Die Überbelegung einer Haftanstalt hat zwangsläufig negative Auswirkungen auf die Gefängnisinsassen sowie die Verwaltung. Das Personal ist aufgrund der räumlichen Enge nicht in der Lage, eine angemessene Versorgung der Insassen zu gewährleisten. Es mangelt an Platz, angemessener Logistik sowie sanitären und medizinischen Einrichtungen. Die Situation führt zunehmend zu gesundheitlichen Problemen, Spannungen und Gewaltausbrüchen unter den Insassen. Das Hauptproblem der Überbelegung ist der damit einhergehende Platzmangel. Wenn ein Gefängnis für eine gewisse Anzahl an Häftlingen gebaut wurde, stellt sich die Frage, wie es dann Platz für doppelt oder dreifach so viele Insassen bieten kann, ohne dass bei der grundlegenden Versorgung und der menschenwürdigen Behandlung gespart werden muss. Zudem sollten Gefängnisse neben der Bestrafung eigentlich auch dazu dienen, auf die Insassen einzuwirken, um sie zu einem besseren Verhalten zu bewegen. Unter den genannten Bedingungen ist eine solche Besserung jedoch nicht möglich. Es ist daher nicht verwunderlich, dass von vielen Seiten der Vorwurf erhoben wird, die Regierung habe es versäumt, politische und administrative Maßnahmen zu ergreifen, um einen neuartigen, modernen Strafvollzug einzuführen.
Lösungsansätze zur Entlastung des Strafrechtssystems
Es gibt verschiedene Maßnahmen, die zur Verbesserung der derzeitigen Missstände beitragen können. Dazu gehört die Verhängung von Kautionen, Maßnahmen zur vorzeitigen Entlassung, gemeinnützige Arbeit oder der offene Vollzug. Letzterer sieht die Möglichkeit vor, dass Gefangene während des Vollzugs zwar in Haftanstalten untergebracht sind, aber zu bestimmten Zeiten ihrer Arbeit im Freien nachgehen können. Im Rahmen dieses Programms besteht sogar die Möglichkeit, dass die betroffenen StraftäterInnen bei ihren Familien außerhalb der Gefängnismauern leben können. Die gegenwärtige Zurückhaltung bei der Einführung alternativer Sanktionsmodelle hat Ursache in dem bisher vom Strafvollzug verfolgten opferzentrierten Ansatz. Zwar ist zweifelslos wichtig und von entscheidender Bedeutung, das Wohlergehen der Opfer angemessen zu berücksichtigen, doch darf dies nicht zu einer völligen Vernachlässigung der Ziele eines modernen Strafvollzugs führen. Ebenso wichtig erscheint die Umsetzung alternativer Sanktionen im Strafvollzug, um die oben genannten Missstände zu verhindern und eine erfolgreiche Resozialisierung zu gewährleisten.