Unter dem Leitgedanken, dass eine erfolgreiche Resozialisierung das oberste Ziel einer Haftstrafe ist, nutzt die Justizanstalt Halden in Norwegen Gebäude und Landschaft, um durch eine angenehme Umgebung aktiv auf die Gefangenen einzuwirken und sie zu einem besseren Leben zu bewegen.

Die norwegische Haftanstalt Halden steht für eine äußerst fortschrittliche Reform des Strafvollzugs und symbolisiert einen humanitären Ansatz im Umgang mit den Gefangenen. Eingebettet in die malerische norwegische Landschaft, hat das Gefängnis mit seinen innovativen und humanitären Praktiken der Rehabilitation statt Bestrafung weltweit Aufmerksamkeit erregt. Die Philosophie der Justizanstalt ist geprägt von dem Gedanken, dass ein respektvoller Umgang mit den Gefangenen deren soziale Kompetenzen fördert und die Rückfallquote in Zukunft nachhaltig senkt. Im Gegensatz zu den traditionellen Strafvollzugssystemen anderer Länder, die zum Teil sehr repressiv und autoritär auf die Gefangenen einwirken, wird in Halden Wert daraufgelegt, ein Umfeld zu schaffen, das persönliches Wachstum und Entwicklung fördert.

Wie sieht das Leben im Gefängnis aus?

Die Gefangenen sind in modernen und komfortablen Wohnkomplexen untergebracht, die eher an ein Studentenwohnheim als an eine Gefängniszelle erinnern. Die Bedeutung einer adäquaten Resozialisierung der Gefangenen spiegelt sich in einem umfangreichen Angebot an Bildungs- und Berufsprogrammen wider. Den Insassen steht eine Vielzahl an Kursen zur Verfügung, die von grundlegender Bildung und dem Erwerb des Schulabschlusses bis hin zur Berufsausbildung reichen. Die genannten Möglichkeiten eröffnen den Gefangenen wertvolle Perspektiven für ihre Zukunft und vermitteln ihnen gleichzeitig ein Selbstwertgefühl, welches die Grundlage für eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach der Entlassung bildet.

Gemeinschaftsaktivitäten als Teil des Vollzugsplans

Ein wesentlicher Aspekt des progressiven Ansatzes ist die Einbeziehung der Gefangenen in die Gemeinschaft. Im Rahmen ihrer Haftzeit werden die Insassen dazu ermutigt, an Gruppentherapiesitzungen, gemeinsamen Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten wie Yoga oder Fußball in der Gruppe teilzunehmen. Der weitläufige Außenbereich des Gefängnisses eignet sich hierfür in besonderem Maße. Das Areal bietet den Insassen die Möglichkeit, sportlichen Aktivitäten nachzugehen, sich bei der Gartenarbeit zu verausgaben oder gemütliche Spaziergänge zu unternehmen, wodurch sowohl das körperliche Wohlbefinden als auch die soziale Interaktion zwischen den Insassen gefördert wird. Das Halden-Gefängnis basiert dabei auf zwei wichtigen Prinzipien: Vertrauen und Verantwortung. Die Insassen genießen während ihrer Haftzeit ein hohes Maß an Freiheit, müssen aber auch Verantwortung für ihre Handlungen und Entscheidungen übernehmen. Dies ist ein großer Unterschied zu Justizanstalten mit einem repressiveren Strafvollzugssystem, in denen die Insassen weitgehend fremdbestimmt leben und keinerlei Einfluss auf den Haftalltag nehmen können.

Reform des Strafvollzuges

Bereits vor zwanzig Jahren hat sich Norwegen von dem bis dahin bestehenden, von Autorität und Bestrafung geprägten Strafvollzugssystem verabschiedet und ein freieres, progressiveres Modell entwickelt. Denn Anfang der 90er Jahre wurde der norwegische Strafvollzug umfassend reformiert. Ziel war es, von einem rein auf Bestrafung und Vergeltung ausgerichteten System zu einem System überzugehen, das auf Resozialisierung ausgerichtet ist. Im Zuge dessen wurde auch die Rolle der ehemaligen GefängniswärterInnen völlig neu konzipiert: Sie arbeiten nun gemeinsam mit den Inhaftierten zusammen und fungieren dabei eher als MentorInnen und UnterstützerInnen der Insassen. „Wächter und Gefangene sind die ganze Zeit zusammen bei Aktivitäten. Sie essen zusammen, spielen zusammen Volleyball, machen zusammen Freizeitaktivitäten und das erlaubt uns, wirklich mit den Gefangenen zu interagieren, mit ihnen zu reden und sie zu motivieren“, wie ein Mitarbeiter des Halden-Gefängnisses erläutert. Natürlich wird dafür gesorgt, dass die Gefangenen ihre Strafe verbüßen, aber neben dem reinen Freiheitsentzug wird ihnen auch geholfen, bessere Menschen zu werden. Das Gefängnispersonal steht ihnen dabei als Coach und Vorbild zur Seite. Dass dieser Ansatz erfolgreich ist, zeigen auch die Rückfallquoten des Landes, die nach Einführung des Systems nachhaltig zurückgegangen sind.

Einfluss der Architektur

Die Architektur des Gefängnisses ist so gestaltet, dass die Gefangenen nicht ständig das Gefühl haben, eingesperrt zu sein. Darüber hinaus vermitteln die Natur und die Landschaft, die das Gefängnis umgeben, ein Gefühl von Harmonie und Geborgenheit. Die Zellen sind mit eigener Toilette, Dusche, Kühlschrank, Schreibtisch, Flachbildfernseher und gitterfreiem Blick in den umliegenden Wald ausgestattet. Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, ob ein Aufenthalt im Halden-Gefängnis nicht etwas zu komfortabel und luxuriös ist, wenn man bedenkt, dass die Insassen tatsächlich Straftaten begangen haben. In Norwegen besteht die Strafe jedoch nur in der Beschränkung der persönlichen Freiheit. Die übrigen Rechte der Gefangenen bleiben erhalten. So können Häftlinge weiterhin an Wahlen teilnehmen und haben Zugang zu Bildung und zur Gesundheitsversorgung; zusammengefasst haben sie weitgehend die gleichen Rechte wie alle norwegischen BürgerInnen. Denn auch wenn sie inhaftiert sind, bleiben sie Menschen. Ganz nach dem Motto: „Sie haben etwas Falsches getan, sie müssen bestraft werden, aber sie sind immer noch Menschen“. Die Einrichtungen und der Betrieb des Halden-Gefängnisses spiegeln die Grundsätze und Ziele des norwegischen Strafvollzugs wider. Das Gefängnis wurde so konzipiert, dass es psychologischem Druck, Autorität und zwischenmenschlichen Konflikten positiv begegnet. Sowohl die Gefangenen als auch das Personal empfinden die Umgebung als freundlich und nicht autoritär. Gewährleitstet wird dies durch einen menschenwürdigen Umgang mit den Gefangenen, hochwertigem Design, ausreichend Freizeitaktivitäten, der Möglichkeit zur Weiterbildung sowie dem entlassungsorientierten Umgang mit den Gefangenen. Ziel ist es, die Inhaftierten bestmöglich auf das Leben nach der Entlassung vorzubereiten. In diesem Zusammenhang wird auch aktiv mit anderen staatlichen Stellen zusammengearbeitet, um jedem Gefangenen vor seiner Entlassung eine Wohnung, einen Arbeitsplatz und Zugang zu einem unterstützenden sozialen Umfeld zu verschaffen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Normalität die Hauptphilosophie des Halden-Gefängnisses ist. Ein geregelter Tagesablauf, ausreichender und regelmäßiger Kontakt zur Familie, genügend Bildungsangebote, Zeit in der Natur – all das prägt das Leben im norwegischen Halden-Gefängnis.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert