Österreich steht im Zentrum der internationalen Bemühungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Der kürzlich veröffentlichte GREVIO-Bericht, der von der Expertengruppe zur Überwachung der Istanbul-Konvention des Europarat erstellt wurde, gibt Aufschluss darüber, wie Österreich seit dem Inkrafttreten der Konvention voranschreitet. Doch trotz lobenswerter Fortschritte gibt es nach wie vor dringende Baustellen, die Aufmerksamkeit erfordern.

Die Istanbul-Konvention, ein völkerrechtliches Abkommen des Europarats, zielt darauf ab, Gewalt gegen Frauen in all ihren Formen zu verhindern und zu bekämpfen. Österreich hat das Abkommen bereits 2013 ratifiziert und seither bedeutende Maßnahmen ergriffen. Die Einführung des Gewaltschutzgesetzes 2019, das unter anderem erweiterte Schutzmaßnahmen für Opfer wie Betretungsverbote und Schutzanordnungen vorsieht, war ein wichtiger Schritt. Auch die Einführung verpflichtender Gewaltpräventionsberatungen für Täter von häuslicher Gewalt wird im Bericht positiv hervorgehoben.

Frauenmorde und gesellschaftliche Ursachen

Dennoch bleibt die anhaltend hohe Zahl von Frauenmorden ein zentrales Problem. Zwischen 2019 und 2022 wurden jedes Jahr durchschnittlich 30 bis 40 Frauen in Österreich ermordet – eine alarmierende Zahl, die die dringende Notwendigkeit weiterer Präventionsmaßnahmen unterstreicht. Während die österreichischen Behörden Studien zur Erforschung der Ursachen dieser Morde in Auftrag gegeben haben, warnt der Bericht davor, die Problematik ausschließlich auf psychische Erkrankungen der Täter zu reduzieren. Vielmehr seien tief verwurzelte patriarchale Strukturen und Geschlechterstereotypen wesentliche Faktoren, die dringend angegangen werden müssen.

Gefahren des Pornografiekonsums bei Jugendlichen

Ein weiteres wachsendes Problem, das im Bericht behandelt wird, betrifft die Zunahme sexueller Gewalt unter Jugendlichen. Dies wird auf den verstärkten Konsum von gewalttätiger Pornografie zurückgeführt, der das Verständnis junger Menschen von Sexualität und Konsens negativ beeinflusst. Sinnvoll wäre es daher, die Aufklärung über gesunde, auf gegenseitigem Einverständnis basierende sexuelle Beziehungen in den Mittelpunkt der schulischen und außerschulischen Bildung zu stellen. Besonders wichtig sei es, Kinder und Jugendliche über die schädlichen Auswirkungen von Pornografie und den Missbrauch intimer Bilder im Internet aufzuklären.

Mangelhafte Schulungen in der Justiz

Besondere Kritik äußert der GREVIO-Bericht an der Justiz. Richterinnen und Staatsanwältinnen seien oft unzureichend im Umgang mit sexualisierter Gewalt geschult. Das führt dazu, dass sie das Verhalten von Opfern, etwa das „Einfrieren“ während einer Vergewaltigung, häufig falsch interpretieren. Diese Reaktion wird oftmals als Zustimmung gewertet, obwohl sie eine traumatische Reaktion auf extreme Bedrohung ist. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf, die Schulung von Fachkräften zu verbessern und verpflichtend zu machen. Nur so können sekundäre Viktimisierung vermieden und mehr Fälle von sexualisierter Gewalt erfolgreich strafrechtlich verfolgt werden.

Schutz für Frauen in Familienrechtsverfahren

Ein weiteres zentrales Anliegen betrifft den Schutz von Frauen in Familienrechtsverfahren. Trotz gewisser Fortschritte wird bemängelt, dass der Schutz von Frauen und Kindern in Sorgerechts- und Besuchsrechtsverfahren oft nicht ausreichend berücksichtigt wird. Der Bericht empfiehlt, Familienrichterinnen und Gutachterinnen besser in den Dynamiken häuslicher Gewalt und den Auswirkungen auf Kinder zu schulen. Es müsse sichergestellt werden, dass die Sicherheit von Frauen und Kindern in jedem Gerichtsverfahren oberste Priorität hat.

Datenlücken erschweren die Politikgestaltung

Ein großes Hindernis für eine effektive Gewaltprävention ist das Fehlen einer systematischen Datenerfassung. Der Bericht kritisiert, dass Österreich keine umfassenden, harmonisierten Daten zu Gewaltfällen erhebt, was die Analyse und Bekämpfung der Gewalt erschwert. Die Erhebung von Daten, insbesondere zur Beziehung zwischen Täter und Opfer, sei entscheidend, um politische Entscheidungen auf einer fundierten Grundlage zu treffen.

Aufklärungsarbeit und gesellschaftliche Haltungen

Neben rechtlichen und strukturellen Maßnahmen ist die Änderung gesellschaftlicher Haltungen von zentraler Bedeutung. Geschlechterstereotypen und patriarchale Einstellungen seien in weiten Teilen der österreichischen Gesellschaft noch immer fest verankert, insbesondere in ländlichen Regionen. Nur durch kontinuierliche Aufklärung und gezielte Maßnahmen könnten diese tief verwurzelten Einstellungen langfristig verändert werden.

Fazit: Fortschritte, aber auch dringender Handlungsbedarf

Österreich hat seit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention große Fortschritte gemacht, aber die Herausforderungen bleiben enorm. Der GREVIO-Bericht stellt klar, dass die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen eine langfristige, umfassende Strategie erfordert, die alle Ebenen der Gesellschaft einbezieht. Von verbesserten Schulungen für Fachkräfte über eine gezielte Datenerfassung bis hin zu verstärkter Aufklärungsarbeit – der Weg zur vollständigen Umsetzung der Istanbul-Konvention ist noch lang, doch die Grundlage für nachhaltigen Fortschritt ist gelegt.

Jetzt liegt es an der österreichischen Regierung, die Empfehlungen ernst zu nehmen und entschlossen zu handeln. Denn nur so können Frauen in Österreich wirklich sicher und frei von Gewalt leben.


Hier finden Sie die Webseite zum Bericht: https://www.coe.int/en/web/istanbul-convention/austria

One Reply to “Gewalt gegen Frauen: Österreichs Fortschritte und Herausforderungen”

  1. „Gewalt ist niemals eine Lösung, doch leider ist es oft der Weg wenn jemandem die Worte fehlen“

    Es wird immer wieder wenn es um Gewalt Themen geht, viel von „der Gesellschaft“ gefordert dabei fehlt mir zum Großteil der Blickpunkt auf die Familie, also die kleinste Zelle „der Gesellschaft“. Ist es nicht so das es Frauen sind die Buben sozialisieren? Männer sind in der Familie früher wie heute rar geworden, in Kindergärten sind sie so gut wie gar nicht vorhanden. Alleinerziehende Mütter und Väter, ist heute oft das Bild „der Gesellschaft“. Selten ist ein harmonisches gleich berechtigtes Familie Gefüge zu erkennen, wenn man hinter die Maske der Menschen blickt.
    Es braucht also Vorbilder für unsere Jüngsten, und das sind die Art von Menschen, welche nicht durch Leistung’s Wahn getrieben, einem Macht streben hinterher laufend und ihrer Geltung’s Sucht wegen mittels Gewalt gehört und gesehen werden wollen. Solche Menschen, sind meist hilflos ihrer eigenen Angst ausgeliefert.

    Ich denke oft an Herrn Mahatma Gandhi, er hat sich gewaltlos für ein Miteinander der Religionen eingesetzt, er hat Tausende, über Tausende Menschen begeistert mit seinen Worten und Taten, und doch wurde er ermordet. Nur, zu bedenken ist, es war der eine Mensch der Mörder, nicht eine ganze Nation oder Gesellschaft.

    Meine Bitte: Mütter zeigt euren Söhnen wie schön ein Miteinander sein kann.

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