Strafanstalten weltweit sehen sich mit der kontinuierlichen Herausforderung konfrontiert, die Sicherheit der Strafgefangenen zu gewährleisten und gleichzeitig deren Resozialiserung zu fördern. Ein innovativer und zunehmend wichtiger Ansatz ist die Partizipation der Gefangenen an Entscheidungen, welche ihr Leben und ihren Alltag im Vollzug betreffen.

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass eine aktive Mitgestaltung durch die Inhaftierten von entscheidender Bedeutung ist. In der modernen Strafvollzugslandschaft erfährt die Idee der Partizipation von Gefangenen eine zunehmende Bedeutung. Der Satz „Nothing about me without me“ entstammt dem politischen Kontext der Bewegung von Menschen mit Behinderung und postuliert den Anspruch, dass Betroffene bei Entscheidungen, die sie betreffen aktiv einbezogen werden. Der Paradigmenwechsel verdeutlicht, dass die Einbeziehung der Gefangenen in Entscheidungen, die sie unmittelbar betreffen, die Qualität des Strafvollzugs verbessern kann.

Der Wandel im Strafvollzug: Von Kontrolle zu Kooperation

Traditionell wurde der Strafvollzug als eine Institution verstanden, deren primäres Ziel in der Kontrolle und Bestrafung von straffällig gewordenen Personen lag. Die Wahrnehmung der Gefangenen als passive Objekte, denen Entscheidungen von außen auferlegt werden, ist ein lange tradierter Ansatz im Umgang mit straffällig gewordenen Personen. Mit dem Konzept „Nothing about me without me“ erfolgt jedoch ein Wandel hin zu einem kooperativen Ansatz. Der Gedanke, der diesem Konzept zugrunde liegt, besagt, dass Entscheidungen, die Gefangene betreffen, nicht ohne deren Mitwirken getroffen werden sollten. Diese Philosophie erfordert ein hohes Maß an Vertrauen sowohl in die Gefangenen als auch in die Vollzugsbediensteten. Die Perspektive auf Gefangene hat sich in diesem Kontext stetig gewandelt: Sie werden nicht mehr nur als Verurteilte betrachtet, die eine Strafe verbüßen, sondern als Menschen mit einer Zukunft, die aktiv an ihrer Wiedereingliederung arbeiten können und sollen. Dies impliziert eine Abkehr von einem rein paternalistischen Ansatz und die Hinwendung zu einer Kultur der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respekts.

Foto: Justis- og politidepartementet – Halden fengsel

Partizipation als Schlüssel zum Erfolg

Die Umsetzung des Partizipationsansatzes in den Haftanstalten kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Ein Beispiel für die praktische Umsetzung ist die Einrichtung von Gefangenenräten, in denen inhaftierte Personen die Möglichkeit haben, ihre Anliegen und Vorschläge direkt einzubringen. Die Zuständigkeit dieser Gremien erstreckt sich sowohl auf den Alltag im Gefängnis, beispielweise hinsichtlich der Gestaltung von Freizeitaktivitäten, als auch auf grundlegendere Themen wie Resozialisierungsmaßnahmen und Arbeitsprogramme. Ein weiterer Aspekt ist die Beteiligung der Gefangenen an der Erstellung ihrer individuellen Vollzugspläne. Dies kann dazu beitragen, dass die Maßnahmen besser auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Gefangenen zugeschnitten sind, was wiederum ihre Wirksamkeit erhöht. Der Titel „Nothing about me without me“ zu Deutsch „Nichts über mich ohne mich“, verdeutlicht das zentrale Prinzip dieses Ansatzes: Gefangene sollen nicht nur passive Subjekte der Vollzugsmaßnahmen sein, sondern aktiv in die Gestaltung ihres Lebens im Strafvollzug einbezogen werden. Die Förderung der Partizipation trägt zur Stärkung des Gefühls der Eigenverantwortung bei und wirkt sich positiv auf das Vertrauen zwischen Gefangenen und Vollzugsbehörden aus.  

Lived Experience im Strafvollzug: Experten aus Erfahrung

Aber nicht nur die Insassen innerhalb der Gefängnismauern können wertvolle Perspektiven beitragen; auch diejenigen, die selbst den Strafvollzug durchlebt haben, spielen eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung und Verbesserung des Systems. „Lived experience“ beschreibt die Expertise, die Menschen durch ihre eigenen Erfahrungen in einem bestimmten Bereich entwickeln. Während solche Erfahrungen in vielen Bereichen, wie der Medizin oder der Behindertenpolitik, bereits systematisch genutzt werden – etwa durch Patientenräte oder gesetzgeberische Initiativen – wird ihre Bedeutung im Strafvollzug zunehmend erkannt. Im Kontext des Strafvollzugs sind Personen mit „lived experience“ jene, die selbst strafrechtliche Verurteilungen durchlebt haben oder ehemals verurteilt waren. Ihre Perspektiven sind besonders wertvoll, weil sie direkte Einblicke in das System Strafvollzug bieten, die über theoretische Kenntnisse hinausgehen. Durch ihre Einbindung in die Gestaltung und Reform des Strafvollzugs können systemische Schwächen präziser identifiziert und praktische, umsetzbare Verbesserungen entwickelt werden.

Vorteile für Beteiligte

Der partizipierte Ansatz zeigt sich als vorteilhaft für die Beteiligten. Diesbezüglich sind positive Auswirkungen auf die Resozialisierung sowie die Wiedereingliederung der Gefangenen in die Gesellschaft nachweisbar. Studien belegen, dass Gefangene, die in Entscheidungen, die sie betreffen, involviert sind, eine höhere Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und eine stärkere Motivation aufweisen, an ihren eigenen Resozialisierungsplänen mitzuwirken. Dies resultiert in einem positiveren Gefängnisklima, einer geringeren Rückfallquote und folglich in einem Mehr an Sicherheit für die Gesellschaft.

Zu bewerkstelligende Hürden

Die Umsetzung einer partizipativen Kultur im Strafvollzug ist jedoch nicht ohne Herausforderungen zu bewerkstelligen. Dies bedingt einen grundlegenden Wandel in der Einstellung und Arbeitsweise der Strafanstalten. Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung partizipativer Ansätze im Strafvollzug ist die Schulung des Personals. Nur durch eine entsprechende Qualifizierung kann gewährleistet werden, dass die Gefangenen die notwendigen Fähigkeiten und das Vertrauen entwickeln, um sich sicher und gehört zu fühlen. Darüber hinaus ist ein Rahmen zu schaffen, der eine tatsächliche Partizipation ermöglicht und effektiv gestaltet, ohne dabei die Sicherheit und Ordnung innerhalb der Justizanstalt zu gefährden.

Internationale Beispiele

Ein wegweisendes Beispiel für einen fortschrittlichen Strafvollzug, der partizipative Ansätze verfolgt, ist Norwegen. Dort werden Gefangene intensiv in ihre Resozialisierungsprozesse eingebunden. Die norwegische Strafvollzugsphilosophie baut auf der Überzeugung auf, dass Gefängnisse in erster Linie auf Rehabilitation und nicht auf Bestrafung ausgerichtet sein sollten. Gefangene werden als aktive TeilnehmerInnen ihrer Wiedereingliederung gesehen und ermutigt, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Dabei geht der norwegische Ansatz von der Prämisse aus, dass Vertrauen und Respekt das Fundament für positive Veränderungen sind. GefängnismitarbeiterInnen werden zu diesem Zweck speziell geschult, um mit den Insassen auf Augenhöhe zu kommunizieren und sie bei ihrer Rehabilitation zu unterstützen. Die internationalen Vorreiter dieser Thematik veranschaulichen, dass Partizipation nicht nur ein theoretisches Konzept ist, sondern in der Praxis zu signifikanten Verbesserungen führen kann. Durch eine aktive Einbindung der Gefangenen in Bildungsprogramme, Arbeitsangebote und den allgemeinen Haftalltag wird eine Umgebung geschaffen, die nicht nur die Resozialisierung fördert, sondern auch den Kreislauf der Kriminalität durchbricht.

Ein Justizreformbild mit Weitblick

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Satz „Nothing about me without me“ die Bedeutung von Partizipation und Eigenverantwortung im Strafvollzug hervorhebt. Die Anerkennung der Gefangenen als aktive Parteien in ihrem eigenen Resozialisierungsprozess ermöglicht die Schaffung einer nachhaltigeren, humaneren und zukunftsorientierteren Strafvollzugskultur. Dies erfordert jedoch nicht nur strukturelle Änderungen, sondern auch einen Mentalitätswandel bei allen Beteiligten. Der dargestellte Ansatz vermag es nicht nur die persönliche Entwicklung der Gefangenen zu fördern, sondern reicht auch weit über die Gefängnismauern hinaus und trägt zur Sicherheit und zum Wohlergehen der gesamten Gesellschaft bei.

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