Auch im Gefängnis haben Menschen Anspruch auf Würde, Gesundheit und Gerechtigkeit. Doch die Realität sieht oft anders aus: Überbelegung, mangelnde medizinische Versorgung und Isolation gefährden die grundlegenden Menschenrechte von Inhaftierten weltweit. Ein Blick auf die Herausforderungen und notwendigen Reformen, um Menschenrechte auch hinter Gittern zu schützen.
Menschrechte betreffen auch den Schutz grundlegender Rechte für Menschen in Haft. Diese Rechte umfassen das Recht auf Leben, auf Freiheit und Sicherheit der Person, auf Freiheit von Folter und Misshandlung, sowie auf Achtung der Menschenwürde und körperliche und seelische Unversehrtheit. Auch das Recht auf Zugang zu Gesundheitsversorgung, auf eine angemessene Unterkunft und Nahrung, sowie das Recht auf Bildung und das Recht auf sozialen Kontakt, insbesondere zur Familie, sind wichtige Menschenrechte, die für Inhaftierte geschützt werden müssen. Die Praxis zeigt jedoch, dass diese Rechte oft in Gefahr sind, sowohl in Österreich, in Europa als auch weltweit.
Die Bedeutung von Menschenrechten im Gefängnis
Die Menschenrechte gelten für alle Menschen, unabhängig von ihrem Status, und dazu zählen auch jene, die ihre Freiheit durch Freiheitsentzug verloren haben. Die Grundannahme dabei ist, dass der Entzug der Freiheit die einzige zulässige Strafe ist; das heißt, dass die Menschenrechte der Inhaftierten in anderen Bereichen respektiert bleiben müssen. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und das Internationale Übereinkommen über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) setzen klare Standards, die besagen, dass auch Inhaftierte ein Recht auf angemessene Behandlung und menschenwürdige Bedingungen haben.
Bedrohte Rechte hinter Gittern
Trotz dieser rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es in vielen Ländern weiterhin erhebliche Verstöße gegen die Menschenrechte von Inhaftierten. Besonders gefährdete Rechte sind:
- Das Recht auf Freiheit von Folter und Misshandlung: In Gefängnissen besteht ein erhöhtes Risiko für Folter und unmenschliche Behandlung. Überbelegung, Isolation und willkürliche Gewalt durch das Personal oder andere Insassen können schwerwiegende physische und psychische Folgen haben.
- Das Recht auf Gesundheit: Die Gesundheitsversorgung in Gefängnissen ist oft unzureichend. Viele Gefangene leiden an unbehandelten oder schlecht behandelten Erkrankungen, insbesondere an psychischen Problemen. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und HIV verbreiten sich schneller in überfüllten und hygienisch mangelhaften Einrichtungen. Die Covid-19-Pandemie hat das Problem der Gesundheitsversorgung in Gefängnissen zusätzlich verschärft, da Abstandsregelungen und Quarantänemaßnahmen schwer umsetzbar sind.
- Das Recht auf ein faires Verfahren und auf rechtlichen Beistand: Viele Menschen werden ohne angemessene rechtliche Unterstützung inhaftiert, oft in prekären Verhältnissen, ohne sich rechtlich wehren zu können. Besonders in überlasteten Justizsystemen führt dies dazu, dass Häftlinge lange Zeit in Untersuchungshaft verbringen, ohne rechtskräftiges Urteil.
- Das Recht auf soziale Kontakte und Schutz des Privatlebens: Der Kontakt zur Familie und zur Außenwelt ist für die psychische Gesundheit und die Resozialisierung von Gefangenen entscheidend. Dennoch ist dieser Kontakt oft stark eingeschränkt, insbesondere für Frauen und Minderjährige, die nicht in der Nähe ihrer Familien inhaftiert sind oder nur eingeschränkte Besuchsmöglichkeiten haben.
- Das Recht auf menschenwürdige Lebensbedingungen: Viele Gefängnisse sind überbelegt und in einem schlechten baulichen Zustand, sodass Inhaftierte auf engem Raum unter unhygienischen Bedingungen leben müssen. Dies führt zu Konflikten und Gewalt unter den Gefangenen und verschlechtert die Lebensbedingungen massiv.
Internationale Herausforderungen und Beispiele
Weltweit gibt es viele Herausforderungen bei der Durchsetzung der Menschenrechte für Inhaftierte. Beispielsweise kämpft Brasilien mit extremer Überbelegung, wobei in einigen Gefängnissen doppelt so viele Menschen untergebracht sind, wie die Gebäude ausgelegt sind. Dies führt zu katastrophalen hygienischen Zuständen und zu häufigen Gewaltvorfällen. In den USA ist das Problem der Langzeitisolation oder „solitary confinement“ von Inhaftierten ein schwerwiegendes Problem, insbesondere für psychisch kranke Menschen und Minderjährige. Langzeitisolation führt nachweislich zu psychischen Schäden und stellt eine Form der unmenschlichen Behandlung dar.
In europäischen Gefängnissen sind die Standards zwar höher, jedoch gibt es auch hier regelmäßig Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Die Europäische Kommission zur Verhütung von Folter (CPT) verzeichnet regelmäßig Berichte über Misshandlungen und unzureichende Versorgung in einigen Gefängnissen. Länder wie Frankreich und Belgien verzeichnen regelmäßig Beschwerden über Überbelegung und mangelnde Gesundheitsversorgung.
Besondere Schutzbedürfnisse vulnerabler Gruppen
Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Rechten vulnerabler Gruppen im Gefängnis, wie Frauen, Minderjährige, ältere Menschen und LGBTI-Personen.
- Frauen im Gefängnis: Frauen sind oft besonderen Gefahren ausgesetzt, beispielsweise durch sexuelle Übergriffe und fehlende medizinische Versorgung für spezifische Bedürfnisse. Schwangere Frauen oder Mütter mit Kleinkindern benötigen besondere Schutzmaßnahmen und sollten nach Möglichkeit alternative Strafen erhalten.
- Minderjährige: Kinder und Jugendliche sind besonders verletzlich und sollten inhaftiert nur als letzter Ausweg und nur für kurze Zeit in Betracht gezogen werden. Die Isolation von Minderjährigen, wie sie in vielen Ländern praktiziert wird, kann schwerwiegende psychologische Auswirkungen haben und wird daher von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Institutionen wie der UNO scharf kritisiert.
- Ältere Menschen: Ältere Menschen sind aufgrund ihrer gesundheitlichen Bedürfnisse ebenfalls besonders schutzbedürftig. In vielen Gefängnissen gibt es jedoch keine ausreichenden Ressourcen, um die speziellen medizinischen Anforderungen älterer Inhaftierter zu erfüllen, was zu schweren Menschenrechtsverletzungen führen kann.
- LGBTIQ*-Personen: LGBTIQ*-Gefangene erleben oft Diskriminierung, Gewalt und Misshandlung durch Mitgefangene oder Personal. Besonders transsexuelle Menschen haben Schwierigkeiten, geeignete Unterkünfte und Gesundheitsversorgung zu erhalten, die ihren Bedürfnissen entsprechen.
Lösungsansätze und Reformen
Um die Menschenrechte hinter Gittern besser zu schützen, sind umfassende Reformen notwendig. Einige Ansätze beinhalten:
- Reduzierung der Gefängnisbevölkerung: Durch Alternativen zur Haft, wie gemeinnützige Arbeit oder Bewährungsstrafen, kann die Überbelegung reduziert werden. Dies kommt nicht nur den Häftlingen zugute, sondern entlastet auch das Justizsystem und verbessert die Haftbedingungen.
- Verbesserung der Gesundheitsversorgung: Eine bessere medizinische Betreuung für physische und psychische Gesundheit ist notwendig. Internationale Standards wie die Mandela-Regeln fordern eine Versorgung, die der außerhalb des Gefängnisses entspricht. Psychische Gesundheitsversorgung und Suchtbehandlungen müssen in allen Einrichtungen zugänglich sein.
- Stärkung unabhängiger Kontrollmechanismen: Regelmäßige Inspektionen durch unabhängige Institutionen sind ein wichtiger Bestandteil der Verhütung von Missbrauch und Folter in Haftanstalten. Nationale Präventionsmechanismen, wie sie im OPCAT-Protokoll (Fakultativprotokoll zur Anti-Folter-Konvention) festgelegt sind, tragen dazu bei, Missstände in Haftanstalten aufzudecken und zu beheben.
- Förderung der Resozialisierung: Um die Rückfallquote zu senken, sollten Gefängnisse Resozialisierungsmaßnahmen wie Bildung und Berufsausbildung anbieten. Solche Programme sind entscheidend, um Häftlinge auf ein Leben nach der Haft vorzubereiten und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern.
- Spezielle Maßnahmen für vulnerable Gruppen: Der Schutz vulnerabler Gruppen muss verstärkt und in internationalen Standards verankert werden. Eine differenzierte Behandlung und angepasste Programme für Frauen, Minderjährige und ältere Menschen tragen dazu bei, die Menschenwürde und Rechte dieser Gruppen im Gefängnis zu wahren.
Wie ist die Situation in Österreich?
Österreichs Gefängnissystem steht vor einigen Herausforderungen, die die Wahrung der Menschenrechte betreffen. Ein zentrales Problem ist die Überbelegung in vielen Einrichtungen. Überbelegung führt nicht nur zu eingeschränktem Bewegungsraum, sondern erhöht auch das Risiko für Konflikte und Gewalt unter den Insassen. Ein weiteres Problem ist der Zustand der Gebäude und die Ausstattung, die oft den Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) widerspricht. Besonders ältere Gefängnisse haben strukturelle Mängel, die die Hygienebedingungen und die Sicherheit beeinträchtigen.
Gesundheitliche Versorgung und psychische Belastungen
Die Gesundheitsversorgung ist in österreichischen Haftanstalten ebenfalls problematisch. Viele Gefangene kommen mit bereits bestehenden gesundheitlichen Problemen in die Haft, welche sich aufgrund der Lebensbedingungen und begrenzten medizinischen Versorgung oft verschlechtern. Infektionskrankheiten sind in überfüllten und schlecht belüfteten Gefängnissen ein ernsthaftes Risiko. Zudem erhalten Inhaftierte nicht immer den Zugang zu psychologischer Betreuung, obwohl die Haftzeit häufig zu erheblichen psychischen Belastungen führt. Auch die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie anfällig das System für Krisen ist, da die Bedingungen in den Haftanstalten die Einhaltung von Hygienestandards erschwerten.
Diskriminierung und besondere Gefährdung bestimmter Gruppen
In Österreich gibt es besondere Herausforderungen für vulnerable Gruppen wie Jugendliche, LGBTIQ*-Personen, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Jugendliche und LGBTIQ*-Gefangene sind oft einem höheren Risiko ausgesetzt, Opfer von Gewalt oder Diskriminierung zu werden. Während der rechtliche Rahmen versucht, spezielle Schutzmaßnahmen zu schaffen, bleibt die Umsetzung dieser Maßnahmen eine Herausforderung. Solche Gruppen sind oft nicht ausreichend vor Misshandlungen geschützt und erhalten nicht immer die notwendige Unterstützung oder die Bedingungen, die ihren speziellen Bedürfnissen entsprechen.
Prävention von Folter und Misshandlung
Österreich ist als Mitglied des Europarates und Unterzeichner des UN-Fakultativprotokoll gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) verpflichtet, den Schutz vor Folter und Misshandlung zu gewährleisten. Dies erfordert die regelmäßige Überwachung der Haftbedingungen und den Zugang zu unabhängigen Kontrollinstanzen. Die nationale präventive Kontrollstelle führt regelmäßige Inspektionen durch, allerdings haben die Justizvollzugsanstalten in Österreich strukturelle Mängel, die nicht immer leicht behoben werden können. Die Haftbedingungen stehen dabei oft in der Kritik, den Minimalstandards der EMRK und der Nelson Mandela Rules nicht gerecht zu werden.