Die bahnbrechenden Empfehlungen der WHO und OHCHR bieten eine Vision für menschenrechtsbasierte Reformen im Bereich der psychischen Gesundheit. Sie zeigen, wie Gesetze neu gedacht werden können, um Autonomie, Inklusion und Gleichberechtigung zu fördern und Zwang und Diskriminierung abzubauen – ein unverzichtbarer Leitfaden für eine gerechtere und würdevollere Zukunft der Gesundheitsversorgung

Die Richtlinien zur psychischen Gesundheit, Menschenrechten und Gesetzgebung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) zielen darauf ab, die Gesetzgebung im Bereich psychische Gesundheit menschenrechtsorientiert zu gestalten. Diese Richtlinien sind nicht rechtsverbindlich, sondern dienen als empfohlene Ressource für Länder, die entweder ihre bestehenden Gesetze reformieren oder neue Gesetze zur psychischen Gesundheit entwickeln möchten. Sie basieren jedoch auf internationalen Menschenrechtsnormen, insbesondere auf der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD), und orientieren sich an den Menschenrechtsstandards der Vereinten Nationen.

Die wesentlichen Punkte der Guidelines:

  1. Recht auf Gesundheit und Menschenrechte:
    Die Guidelines betonen, dass psychische Gesundheit ein fundamentales Menschenrecht ist und fordern eine Abkehr von rein biomedizinischen Modellen zugunsten einer umfassenden Berücksichtigung sozialer und kultureller Einflussfaktoren sowie gemeindebasierter Unterstützungssysteme.
  2. Selbstbestimmung und Rechtskapazität:
    Ein zentraler Bestandteil ist die Anerkennung der Autonomie und Entscheidungsfreiheit von Menschen mit psychosozialen Behinderungen. Zwangsmaßnahmen sollen reduziert und unterstützende Entscheidungsfindungsprozesse implementiert werden.
  3. Gleichheit und Nichtdiskriminierung:
    Die Guidelines fordern, dass Gesetze den Zugang zur psychischen Gesundheitsversorgung und die Gleichberechtigung aller Personen, insbesondere marginalisierter Gruppen, sicherstellen.
  4. Schutz vor Zwang und Förderung der informierten Einwilligung:
    Die Richtlinien plädieren für den Abbau von Zwangsmaßnahmen und die Förderung des Rechts auf freie und informierte Zustimmung zur Behandlung.
  5. Gemeindebasierte Versorgung:
    Der Übergang zu gemeindeorientierten, menschenrechtsbasierten Dienstleistungen wird empfohlen, um eine stärkere Inklusion und eine bessere Anpassung an die Bedürfnisse der Betroffenen zu gewährleisten.
  6. Rechenschaftspflicht und Transparenz:
    Unabhängige Überwachungsstellen und Mechanismen zur Wahrung der Menschenrechte sollen die Einhaltung dieser Prinzipien sicherstellen.

Umsetzung und Einschränkungen:

Diese Richtlinien sind zwar nicht bindend, ihre Umsetzung wird jedoch dringend empfohlen, um Länder bei der Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards zu unterstützen. Eine praktische Checkliste hilft Ländern, ihre Gesetze und Maßnahmen auf ihre Menschenrechtskonformität zu überprüfen. Durch diesen Leitfaden wird die Dringlichkeit einer umfassenden gesetzlichen Reform betont, die ein menschenwürdiges, gleichberechtigtes und auf Gemeinschaft basierendes Versorgungssystem im Bereich psychischer Gesundheit schaffen soll.

Und wie ist es damit in Österreich bestellt?

In Österreich wird die psychische Gesundheit durch eine Kombination aus nationalen Gesetzen und internationalen Verpflichtungen geschützt. Zentrale nationale Regelungen sind das Unterbringungsgesetz und das Heimaufenthaltsgesetz, die den rechtlichen Rahmen für freiheitsbeschränkende Maßnahmen und die Rechte von Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Einrichtungen festlegen.

Das Unterbringungsgesetz regelt die Voraussetzungen, unter denen Personen gegen oder ohne ihren Willen in einer psychiatrischen Abteilung untergebracht werden dürfen. Dies ist nur zulässig, wenn eine erhebliche Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der betroffenen Person oder anderer besteht und keine ausreichenden alternativen Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind. Zudem sieht das Gesetz die Bestellung von Patientenanwältinnen und -anwälten vor, die die Rechte der Betroffenen vertreten und beraten.

Das Heimaufenthaltsgesetz befasst sich mit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen. Solche Maßnahmen sind nur unter strengen Bedingungen erlaubt, insbesondere wenn eine unmittelbare Gefahr für die betroffene Person oder andere besteht und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Das Gesetz legt fest, dass jede Freiheitsbeschränkung dokumentiert und von einer unabhängigen Bewohnervertretung überprüft werden muss.

Auf internationaler Ebene hat Österreich die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ratifiziert, die grundlegende Menschenrechte schützt, einschließlich des Rechts auf Freiheit und Sicherheit. Zudem ist Österreich Vertragsstaat der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD), die die Rechte von Menschen mit Behinderungen, einschließlich psychosozialer Behinderungen, stärkt und die Staaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutz dieser Rechte zu ergreifen.

Trotz dieser rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es in Österreich weiterhin Herausforderungen im Bereich der psychischen Gesundheitsversorgung. Studien weisen auf Versorgungslücken hin, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu psychotherapeutischen Leistungen und die finanzielle Belastung für Betroffene. Die COVID-19-Pandemie hat diese Probleme weiter verschärft und den Handlungsbedarf verdeutlicht.

In Österreich umfasst das Thema psychische Gesundheit neben der Versorgung von Menschen mit psychosozialen Problemen und Behinderungen auch den Maßnahmenvollzug. Der Maßnahmenvollzug betrifft Menschen, die aufgrund psychischer Störungen als straffällig gelten und in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht werden, weil sie als Gefahr für die Allgemeinheit eingestuft werden. Diese Unterbringung erfolgt oft in Justizanstalten und ist gesetzlich im Strafvollzugsgesetz geregelt.

Die rechtlichen Grundlagen des Maßnahmenvollzugs in Österreich sollen die Sicherheit der Gesellschaft gewährleisten und die Rehabilitation der Betroffenen fördern. Der Vollzug erfolgt jedoch häufig unter Bedingungen, die aus Sicht der Menschenrechte als kritisch eingestuft werden.

Kritik und Reformbedarf im Maßnahmenvollzug

In den letzten Jahren gab es umfangreiche Kritik am Maßnahmenvollzug in Österreich, da die psychiatrische und psychologische Betreuung in Justizanstalten oft nicht den Anforderungen einer menschenrechtsbasierten Gesundheitsversorgung entspricht. Es mangelt an spezialisierter und angemessener psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung sowie an personenzentrierten, gemeindebasierten Alternativen. Betroffene verbleiben teilweise über viele Jahre in Einrichtungen, die auf die Sicherung und nicht auf die Genesung ausgelegt sind, was die Problematik verschärft. Experten und Menschenrechtsorganisationen fordern daher eine Reform, die den Zugang zu umfassenden therapeutischen Maßnahmen stärkt und die Bedingungen in psychiatrischen Einrichtungen humaner gestaltet.

Zusammenfassend verfügt Österreich über einen soliden rechtlichen Rahmen zum Schutz der Rechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Dennoch besteht weiterhin Bedarf an Reformen und Verbesserungen, um den Zugang zu angemessener Versorgung zu gewährleisten und die Rechte der Betroffenen vollständig zu schützen.


Hier können Sie die das Dokument im englischen Original einsehen.

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