Sprachbarrieren im österreichischen Strafvollzug erschweren nicht nur das Verständnis von Regeln und Rechten, sondern beeinträchtigen auch die Resozialisierungschancen von nicht-österreichischen InsassInnen. Trotz gesetzlicher Vorgaben und Initiativen bleiben viele Herausforderungen ungelöst: Der Mangel an mehrsprachigem Personal und interkultureller Schulung führt zu Missverständnissen und Isolation. Der Artikel beleuchtet, warum es dringend notwendig ist, diese Problematik anzugehen, um eine erfolgreiche Integration und Rehabilitation zu fördern.

Die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze bestätigen: „Bei der Aufnahme und so oft wie nötig danach sind alle Gefangenen schriftlich und mündlich in einer Sprache, die sie verstehen, über die Vorschriften der Gefängnisdisziplin sowie über ihre Rechte und Pflichten im Gefängnis zu informieren.” Dieser Vorsatz deckt allerdings nur die grundlegenden Informationen ab und behandelt vor allem den logistischen Informationsbedarf. Der dauerhafte alltägliche Informationsaustausch während des Aufenthalts wird hierbei außer Acht gelassen.

Oft sind bereits die Hausordnungen der Anstalten nicht in allen nötigen Sprachen vorhanden. Dies bedeutet dass nicht alle InsassInnen die Regeln der Anstalt verstehen, was zu vermeidbarer Verunsicherung und Angst führt. Hiergegen haben bereits mehrere Inhaftierte geklagt und Recht bekommen. Während es in Österreich einige gesetzliche Paragraphen gibt, die sich mit dem Status von nicht-österreichischen InsassInnen und deren Schwierigkeiten beschäftigen, reichen diese nicht aus, um eine mögliche Benachteiligung aus dem Weg zu räumen. Staat und Gesetzgeber wagen sich allerdings nicht gerne an dieses Thema heran aus Angst vor einem Aufschrei gegen die Bevorzugung von Nicht-ÖsterreicherInnen. Trotzdem gibt es dringend Handlungsbedarf, da Sprache der Grundstein für menschlichen Austausch ist und Wiedereingliederung ohne Übersetzung oder Lernangebote nahezu unmöglich ist.

Laut dem gemeinnützigen Verein für Bewährungshilfe Neustart haben rund 50% (Stand 2022) der Inhaftierten in österreichischen Justizvollzugsanstalten keine österreichische Staatsbürgerschaft. Dies führt neben allgemeinen Fragen zum Aufenthaltsstatus zu weiteren Hindernissen wie unüberwindbaren Sprachbarrieren. Nicht-österreichische StaatsbürgerInnen haben somit viel weniger Zugriff auf benötigte Angebote zur Resozialisierung. Bedingte Entlassungen werden erschwert da es ohne Perspektiven nach der Haft keine positive Wohlverhaltensprognose gibt. 

Dass es zu wenige Weiterbildungs- und Beschäftigungsangebote in Justizanstalten gibt, ist bereits bekannt. Hinzu kommt für nicht-österreichische InsassInnen, dass der Zugang aufgrund von Sprachbarrieren weiter erschwert wird. Diese fehlende Rücksichtnahme mindert deren Wiedereingliederungschancen. Europaweit wurde dieses Problem bereits erkannt, vor allem in Spanien gab es Studien, die sich mit dem fehlenden Angebot professionell ausgebildeter ÜbersetzerInnen im Vollzug befassten. Bereits im Jahr 2012 wurden diese Barrieren von der Europäischen Union erkannt und das Projekt Language Behind Bars, an dem auch Österreich teilnahm, ins Leben gerufen. Die Ziele dieses Projekts waren die Förderung von Kommunikation innerhalb von Justizvollzugsanstalten, ein Fokus auf erfolgreiche Rehabilitation und gesellschaftliche Integration für ausländische StaatsbürgerInnen. Leider lief das zeitlich begrenzte Projekt im Jahr 2014 aus.

Digitale Bildungsangebote im Strafvollzug könnten den Zugang zu Sprachkursen erleichtern. Das Bundesministerium für Erwachsenenbildung äußert sich dazu in einem Artikel von 2017. Die elis-Lernplattform bietet in über 100 Justizanstalten in Deutschland und Österreich Zugang zu Bildung, mit dem Ziel, Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Deutsch als Zweitsprache zu fördern sowie berufliche Qualifikationen zu vermitteln. Viele InsassInnen freuen sich über die Möglichkeit zur Nutzung digitaler Angebote, da sie eine Abwechslung zum Alltag darstellen. Ein weiterer Bereich, in dem es zu Missverständnissen aufgrund fehlender Kommunikation kommt, ist das gesundheitliche Umfeld. Im Krankenfall haben sechs Justizanstalten, darunter Josefstadt und Graz-Jakomini VideodolmetscherInnen eingeführt um medizinische Information korrekt verständigen zu können. Dass dies flächendeckend nötig ist, zeigt unter anderem der Fall einer schwangeren Frau in Australien, die kein Englisch sprach und daher bei ärztlichen Untersuchungen nicht verstand, was vor sich ging. Ihr wurden Medikamente verschrieben, sie konnte dies aber nicht hinterfragen und wusste daher nicht, ob sie oder ihr Baby überhaupt gesund waren. Dieses Beispiel zeigt, wie ohnmächtig Sprachlosigkeit InsassInnen machen kann. Eine Tagung der österreichischen Volksanwaltschaft von 2018 ergab zudem, dass die zunehmende Vielsprachigkeit es unmöglich macht, mit InsassInnen die benötigten Psychotherapien durchzuführen. 

Die Verantwortung, Kommunikation aufrechtzuerhalten, liegt momentan hauptsächlich bei den InsassInnen selbst.  Im Zuge der Verurteilung sind Individuen abhängig von Verwandten oder Bekannten, die diese Aufgabe unentgeltlich und ohne professionelle Kenntnisse übernehmen müssen. Kommunikation in Haft erfolgt häufig durch gebrochene Sprachkenntnisse oder durch Mithäftlinge oder das Personal das hiermit eine Dolmetscherrolle einnimmt. Diese Abhängigkeit von anderen führt zu einem Gefühl von Isolation von sowohl dem übrigen Personal als auch den deutschsprachigen Inhaftierten. Verständigungsschwierigkeiten führen zur Verstärkung gegenseitiger Vorurteile und einem Anstieg der Fremdenfeindlichkeit. Oft führen Missverständnisse dazu, dass die InsassInnen als aggressiv und unkooperativ wahrgenommen werden, was Auswirkungen auf ihre Einstufung als resozialisierbar hat. Hinzu kommen auch kulturelle Konflikte, Verhalten, das die BeamtInnen als rätselhaft empfinden, kann ohne Kommunikation nie aufgeklärt werden und es führt zu einer Resignation aufseiten des Personals und der Inhaftierten.

Im österreichischen Segregationsbericht 2023 heißt es, nicht-österreichische Gruppen kommunizieren meist in ihrer Muttersprache und bleiben vielfach unter sich, was den Zusammenhalt und die Solidarität untereinander stärkt. Mitglieder solcher Gruppen zeigen auch aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse wenig Verständnis für das österreichische Rechtssystem, was zu Unverständnis gegenüber gerichtlichen Entscheidungen führen kann. Dies kommt vor allen auch daher, dass sie sich am Boden der Hierarchie fühlen. Solche Dynamiken werden in totalen Institutionen wie Gefängnissen verstärkt. 

Ein Lösungsansatz zur Vermeidung solcher Gruppenbildung  wäre die Einstellung von Beamten mit Migrationshintergrund um die Mehrsprachigkeit des Personals zu verbessern. Im Jahre 2014 gab es eine solche Initiative vonseiten des Justizministeriums. Zudem ist es notwendig, zusätzliche Schulungen für BeamtInnen anzubieten. Eine verstärkte Vorbereitung des Personals auf den interkulturellen Strafvollzug könnte im Rahmen der Aus- und Weiterbildung erfolgen. Während im schwedischen Strafvollzug BeamtInnen mit bis zu 300 verschiedenen Sprachen arbeiten, liegt der Anteil an BeamtInnen mit Migrationshintergrund in Österreich bei lediglich 10%. Diese Taktik wäre vor allem bei Anstalten wie der Justizvollzugsanstalt Suben bei einem Anteil von 70% Nicht-ÖsterreicherInnen nötig. Die Geschichte von Suben ist eine kuriose Geschichte, da es schon vor Jahren hätte geschlossen werden sollen aufgrund von fehlender Modernisierung und seiner geografischen Abgelegenheit. Da aber die meisten Anwohner in der Anstalt beruflich tätig waren oder mit ihr kollaborierten, blieb es geöffnet und nun sitzen dort vor allem Menschen mit afrikanischen Staatsangehörigkeiten. Die SubenerInnen haben also eine positive Einstellung zu nicht-österreichischen Inhaftierten, da sie ihnen ihre Arbeitsplätze verdanken. 

Die im Text genannten Jahreszahlen, die bereits weit zurückliegen, verdeutlichen, dass das Überwinden von Sprachbarrieren offenbar nicht im Fokus steht. Angesichts eines Anteils von nahezu 50% Nicht-ÖsterreicherInnen ist dies kaum zu rechtfertigen. Eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit kultureller Vielfalt hinter Gittern ist ebenso notwendig wie außerhalb der Gefängnismauern. Andernfalls wird die mangelnde Anpassungsfähigkeit an Vielsprachigkeit zu einer Verschlechterung der Bedingungen in österreichischen Justizanstalten führen.

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