Kennen Sie die Situation wenn Sie von jemanden eventuell schon monatelang gepiesackt werdet? Vielleicht geschieht dies in der Arbeit – man wird unfair behandelt?

Ihr Ehepartner/eure Ehepartnerin oder Freund/Freundin ist mit Ihnen nicht mehr zufrieden und es gibt ständig Krach? Tag und Nacht müssen Sie an diese Ungerechtigkeit denken, welche Ihnen widerfahren ist. Man meint, dies sei doch nicht notwendig? Täglich buckeln Sie sich ab und sind dennoch nie genug? Die Nächte welche Ruhe spenden sollten, werden zu wachen Phasen, in der Früh ist man nicht ausgeschlafen aber versucht dennoch das Beste? Dies Tag für Tag, Monat für Monat und womöglich jahrelang?

Aber dann ändert ein Tag, eine Situation alles. Das Leben wird nie wieder so sein wie zuvor. In einem Streit im Büro kommen Ihnen die Worte: „Gib doch endlich Ruhe, sonst bring ich dich um!“ über die Lippen – in der Hand haben Sie einen Brieföffner.

Kaum hallen diese Sätze durch den Raum, wird es ruhig. Sie sind nun tatsächlich verwundert über sich selbst aber findet keine Worte die dies ungeschehen machen können. Stumm stehen Sie da, kein Wort kommt mehr über Ihre Lippen. Was haben Sie nur getan?

Der Vorgesetzte stellt sich vor den durch Sie bedrohten Mitarbeiter um diesen vor Ihnen zu schützen. Die Sekretärin greift zum Hörer. Sie hören nur noch verzerrt die Stimme der Dame und dann geht alles schnell. Binnen weniger Minuten ist die Polizei da – dumpf vernimmt Ihr Ohr die Worte: „Lassen Sie den Brieföffner los -tun Sie sich selber diesen Gefallen. Machen Sie die Situation nicht unnötig schlimmer.

Sie lassen den Gegenstand nun los – nicht mal bemerkt haben Sie, dass dieser noch in Ihrer zusammengeballten Faust lag. Sie werden abgeführt. Es sind keine Emotionen mehr in Ihnen. Einfach nur Leere und ein bis zum Hals pochendes Herz.

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Hinter Ihrem Rücken hören Sie noch Sätze wie „… war eh immer schon komisch!“ und „Naja war ja nur eine Frage der Zeit!“ Dann läuft alles ab wie in einem Film. Sie sind nicht mehr in der Lage irgendwie selbst etwas zu entscheiden. Sätze wie: „Folgen Sie uns!“ und „Seien Sie kooperativ!“ fallen.

Sie sind irritiert, denn schließlich geht nun wirklich keine Gefahr von Ihrer Person aus. „Die drehen ja alle durch!“ denkt man sich, während das Einsatzfahrzeug Sie auf den Polizeiposten bringt.

Keiner Fliege hat man je etwas getan, man isst sogar vegan, da einem das Tierwohl am Herzen liegt. Deswegen sind Sie auch in etlichen Tierschutz-Gruppen aktiv. Ebenso setzen Sie sich für einige Kinderschutzorganisationen ein und haben einmal bei einem Gewaltschutz-Seminar teilgenommen.

Sie befinden „Gewalt geht und alle etwas an“ und so möchten Sie Ihren Beitrag in der Gesellschaft leisten. Sozusagen unbescholten – ein ganz normaler österreichischer Staatsbürger – der nette Nachbar von nebenan. Als Sie nun endlich in der Polizeistation auf weitere Informationen warten, kommen Sie dazu Ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Wie soll man denn diese Situation einschätzen?

Wie lief das Leben bis zum heutigen Tag ab? Gut, einmal hat man einen Strafzettel wegen Falschparken bekommen und einmal haben Sie als Kind einen Kugelschreiber bei einem Geschäft mitgehen lassen, aber ansonsten waren Sie immer ehrlich, fleissig und aufrichtig.

Frau, Kinder und ein gut bezahlter Job – nette Freunde, viele natürlich erfolgreicher, manche dennoch langzeitarbeitslos und andere dem christlichen Glauben abgewandt – dennoch mögen Sie all Ihre Freunde und Bekannte wie sie sind.

Neben Ihnen wird nun im Polizeideutsch gesprochen- Sie verstehen nichts davon. Als Sie fragen was nun los ist, werden Sie mit den Worten: „Es muss noch kurz etwas geklärt werden“ abgewimmelt.

Sie denken nun an Ihre unangenehme Situation. So gern wäre man jetzt im sicheren Nebenwohnsitz. Sie wären dort in Sicherheit und müssten nicht hier hocken wie ein Krimineller. Eine junge Polizistin beugt sich zum Kollegen und meint „ Paragraf 107 Absatz 1 oder ist das ein 2er?“ vielleicht studiert die Dame nebenbei Jus? Der Kollege spricht sich für die gefährliche Drohung aus aber gibt bekannt, das müssen andere entscheiden – zum Glück, er hätte schon genug Arbeit

Mittlerweile sind Sie schon sehr besorgt. Ihre Ehefrau wird endlich angerufen, die sichtlich geschockte Frau darf sich um einen Anwalt bemühen. „Ach Gott – das ist echt ein Witz!“ befinden Sie innerlich.

Danach kommt noch mehr Bewegung ins Spiel. Sie werden befragt und kommen sich dabei vor wie ein schlimmer Mensch. In der Situation ist es verständlich, dass Sie versuchen die Sache nun irgendwie ins Positive zu bringen- Sätze wie: „Mein Gott -ich war halt bissi angefressen!“ Oder: „Ich hab das ja gar nicht ernst gemeint.“ fallen Ihnen ein. Sie wollen sich verteidigen.

Der Beamte soll Verständnis aufbauen und zum Schluss kommen, dies wäre eine Blödheit gewesen welche nicht weiter verfolgt werden sollte. Ein Irrtum, andere hätten da komplett überreagiert. Abschließen will man diese Angelegenheit doch für alle Beteiligten – Sie haben alles getan um zu zeigen wie normal Sie sind. Das muss ja genügen!

Dem Polizisten interessiert das aber wenig – Fakten zählen. Man hätte Sie schließlich bei Ihrer „ach so harmlosen Aktion“ gesehen und musste Sie sogar mehrmals bitten, sich des gefährlichen Gegenstandes zu entledigen.

Sie werden böse und befinden das ein Brieföffner nun wirklich keine gefährliche Waffe wäre und fragen schlussendlich was dieses „Kasperltheater“ bedeute. „Das kann ja wohl nicht sein! Das war doch nicht so gemeint!“ teilen Sie dem Gegenüber mit.

Sie stehen auf um Ihrem Ärger zu zeigen- mit der Faust schlagen Sie auf den Tisch. Der Beamte sieht auf und sagt „Setzen Sie sich bitte wieder hin!“ Davon wollen Sie nichts mehr hören. Es reicht einfach. Sie können nicht mehr. Sie geben bekannt das Sie gehen wollen. Der Polizist bittet nochmals um Zurückhaltung aber Sie haben nun die Schnauze voll und wollen einfach nur weg – das muss ein schlimmer Traum sein. Ihre Augen fixieren die Türe und somit bewegen Sie sich darauf zu.

Bleiben Sie stehen!“ heißt es – der Beamte stellt sich plötzlich vor Sie und sagt: „Bitte beruhigen Sie sich!

Wie es weiter geht, sehr geehrter Leser/sehr geehrte Leserin, dies werden Sie in der Fortsetzung erfahren. Vielleicht konnten Sie mit dem oben beschriebenen Mann mitfühlen?

Vielleicht hat Sie dies sogar an jemanden erinnert!? Wer könnte denn auch so reagieren? Kennen Sie vielleicht so eine Person? Wie auch immer Sie diese Fragen für sich beantworten – eines kann ich mit Gewissheit sagen: wir sind alle Menschen, alle gleich viel wert und alle können wir in solche Situationen geraten.

Warum? Weil wir in Extrem-Situationen anders reagieren als gewohnt.

One Reply to “Es kann auch Sie treffen!”

  1. Ich halte die weit verbreitete Annahme „wer droht macht es irgendwann war“ für problematisch. Denn genau hier liegt auch der Teufel im Detail man ist mit Emotionen befasst. Wie es im Artikel gut beschrieben steht, geht es häufig um den Verlust einer gesunden Konflikt Kultur, um ein fehlen von Worten, um Krankheit, und häufig um pure Verzweiflung.
    Vielleicht wäre es gut und hilfreich wenn wir Menschen wieder lernen unsere Emotionen rechtzeitig zu benennen, und miteinander zu sprechen, anstatt zu verstecken. Nicht jede verbale Entgleisung muss strafrechtlich sanktioniert werden, besser wäre eine moderierte Konflikt Aufarbeitung.
    Ich finde es einen guten ersten Schritt das der Strafrahmen insbesondere bei einer „gefährlichen Drohung“ höher gesetzt wurde.

    Begrüßen würde ich auch, eine Möglichkeit zur professionellen Opfer – Täter Arbeit zu schaffen.
    Es hieß einmal „durch’s Reden kommen die Leut z’samm“ – könnte eventuell viele Ängste abbauen, Präventiv wirken, Straftaten sowie überfüllte Gefängnisse reduzieren helfen.

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