Die Situation von Jugendlichen im österreichischen Strafvollzug gerät zunehmend in den Fokus heftiger Kritik. Jüngste Berichte der Volksanwaltschaft decken schwere Missstände auf – von Überbelegung und Unterbringung Minderjähriger in Erwachsenen-Zellen bis hin zu mangelnden Betreuungsangeboten und baulichen wie personellen Defiziten. Dokumentierte Gewaltvorfälle verstärken die Sorge um das Wohl junger Häftlinge. Während Justizministerin Sporrer erste Prüfungen eingeleitet hat, wird deutlich: Österreichs Jugendstrafvollzug steckt in der Krise. Ein Blick nach Deutschland und in die Schweiz zeigt jedoch, dass es auch anders geht – mit fokusierter Resozialisierung, menschenwürdigeren Bedingungen und geringerer Rückfallquote.
Alarmierende Zustände: Jugendliche in Erwachsenen-Zellen

Foto: Volksanwaltschaft / Photo Simonis
Auslöser der aktuellen Debatte ist ein Fall aus der Justizanstalt Wiener Neustadt: Dort war wochenlang ein 16-jähriger Häftling mit neun erwachsenen Männern in einer Zehn-Personen-Zelle untergebracht. „Der Jugendstrafvollzug hakt an allen Ecken und Enden. Es funktioniert so gut wie nichts“, kritisiert die zuständige Volksanwältin Gaby Schwarz die Zustände scharf. Aufgrund fehlender Haftplätze für Erwachsene wurden zuletzt sogar eigene Jugendabteilungen in den Justizanstalten St. Pölten und Linz aufgelöst. Dies steht im Widerspruch zu Mindeststandards, wonach Jugendliche strikt von Erwachsenen getrennt untergebracht werden sollen. Zwar gesteht auch das Justizministerium diesen Trennungsgrundsatz zu, meint aber, in Einzelfällen könne davon abgewichen werden, „soweit … weder eine schädliche Beeinflussung noch eine sonstige Benachteiligung … zu befürchten ist“ – eine Auslegung, die im Lichte des Wiener Neustadt-Falles hoch umstritten ist.
23 Stunden in den Zellen eingeschlossen
Hinzu kommt, dass junge Untersuchungs- oder Strafhäftlinge teils 23 Stunden täglich in den Zellen eingeschlossen sind – anstatt der gesetzlich vorgeschriebenen zwei Stunden Hofgang im Freien. Beschwerden darüber lägen nicht vor, behauptete das Ministerium. Doch die Volksanwaltschaft entgegnet, vielen Jugendlichen seien ihre Rechte in Haft gar nicht bekannt, sodass sie Missstände oft stillschweigend erdulden. Schwarz warnt: „Die Bedingungen sind zum Teil prekär und katastrophal“ – mit potenziell verheerenden Folgen für die Betroffenen.
Gewalt hinter Gittern: Jugendliche besonders betroffen
Die prekären Haftbedingungen schlagen sich in Gewalt nieder. „Der Jugendstrafvollzug in Österreich sei Folter“, sagte die Wiener Jugendrichterin Beate Matschnig bereits 2017 – Anlass war die Vergewaltigung eines 14-Jährigen in der Wiener Josefstadt. Matschnig beklagte, dass Jugendliche übers Wochenende von Freitag bis Montagmorgen weggesperrt würden, oft zu viele in einer Zelle, und mangels Personal kaum Beschäftigung hätten. Diese langen Einschlusszeiten und die erzwungene Untätigkeit führten immer wieder zu Übergriffen und Demütigungen unter den Eingesperrten. Im erwähnten Fall hatten ältere Insassen einen Mitgefangenen erst misshandelt und anschließend mit einem Besenstiel brutal vergewaltigt. „Je mehr Burschen in einer Zelle, desto schlechter“, so Matschnig – in der Josefstadt saßen damals bis zu sechs Jugendliche zusammen.
Alltägliche Gewalt
Auch eine aktuelle Studie des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) bestätigt, dass Gewalt in Österreichs Haftanstalten nahezu alltäglich ist. Besonders alarmierend: Jugendliche im Strafvollzug erleben sowohl psychische als auch körperliche Gewalt sogar überdurchschnittlich häufig. „Das hat zwei Gründe“, erläutert Kriminologin Veronika Hofinger: Viele Inhaftierte hätten Gewalt bereits in ihrem eigenen Leben erfahren und „importieren“ diese Einstellung gewissermaßen in die Haft„. Gleichzeitig fördern schlechte Rahmenbedingungen die Aggression: fehlende Rückzugsorte, Monotonie und Langeweile begünstigen Konflikte. Zwar verfügt der Jugendstrafvollzug in Österreich grundsätzlich über Einzelhafträume für jeden Jugendlichen – ein potentieller Schutzfaktor. Doch wenn etwa Sport- und Freizeiträume gesperrt sind oder plötzlich ein generelles Rauchverbot verhängt wird, steigt der Druck: „Das hat sie massiv belastet… das Aggressionspotenzial steigt“, berichten Experten. Insgesamt geben 72% der Häftlinge an, in Haft Gewalt erlebt zu haben – sei es durch Schläge, Tritte, Mobbing oder strukturelle Vernachlässigung. Knapp die Hälfte fühlt sich von niemandem wahrgenommen, ein Drittel „nicht wie ein Mensch behandelt. Diese Befunde zeichnen ein düsteres Bild: Junge Menschen, die eigentlich eine zweite Chance bräuchten, werden hinter Gittern oft weiter traumatisiert.

„Logistischer Bauchfleck“: Überbelegung und Bau-Pannen
Auch strukturelle Mängel und Personalknappheit verschärfen die Misere. Nachdem die Sonderanstalt für Jugendliche in Gerasdorf (Niederösterreich) – lange Zeit Österreichs einziges reines Jugendgefängnis – im Juli 2024 geschlossen wurde, sollten junge Strafgefangene eigentlich im neuen Jugendgefängnis in Wien-Simmering untergebracht werden. Doch diese neue Justizanstalt Wien-Münnichplatz ist noch immer eine Baustelle, wie Volksanwältin Schwarz anprangert. „Von drei Abteilungen sind zwei nicht nutzbar“, so Schwarz – die Sanitäranlagen wurden baulich verpfuscht und stehen nach Benutzung unter Wasser. Nur eine Abteilung mit derzeit 21 Jugendlichen ist in Betrieb, diese immerhin im gelockerten Vollzug: Die Hafträume bleiben bis 16:30 Uhr unversperrt, nachmittags kümmert sich eine Sozialbetreuerin um die Insassen, und es gibt zumindest teilweise Beschäftigungsmöglichkeiten. Allerdings fehlt es insgesamt an Personal, sodass die vom Ministerium zugesagte umfassende Betreuung nicht gewährleistet sei.
Schwarz bezeichnet die überstürzte Eröffnung des Münnichplatz-Gefängnisses als „logistischen Bauchfleck“ des Justizministeriums. Viele Einrichtungen sind noch gar nicht einsatzbereit: Für schulpflichtige jugendliche Häftlinge gibt es vor Ort keine Schule – sie müssen täglich zur Justizanstalt Josefstadt pendeln, wo weiterhin der Unterricht stattfindet. Auch Einkäufe des Grundbedarfs laufen mangels Infrastruktur über die alte Anstalt, Disziplinarverfahren ebenso. Telefone funktionieren teils nicht, Besuchsmöglichkeiten sind eingeschränkt, und die medizinische Versorgung am neuen Standort ist noch ungeklärt. „Das sind nur einige Beispiele dafür, was alles schiefläuft“, so Schwarz. Sie betont jedoch, dass das engagierte Personal vor Ort sein Möglichstes tue – die Kritik richte sich an die Planung: „Zuerst sollten alle Umbauarbeiten fertig und Mitarbeiter im Dienst sein, bevor der erste Jugendliche umgesiedelt wird. Und nicht umgekehrt.“
Die Volksanwaltschaft hatte bereits seit 2022 auf die Dringlichkeit einer neuen Jugendstrafanstalt hingewiesen. Tatsächlich geschah lange wenig. Erst kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Amt brachte Sporrers Vorgängerin Alma Zadić die Verlegung der Jugendlichen mit heißer Nadel auf den Weg – eine Husch-Pfusch-Aktion, wie Kritiker meinen. Entsprechend groß ist nun der Aufholbedarf: Bis Ende 2025 sollen die Bauarbeiten in Wien-Simmering abgeschlossen und alle drei Abteilungen betriebsfähig sein, wie das Justizministerium versichert. Schrittweise wolle man dann weitere Jugendliche dorthin verlegen, sobald genügend Personal rekrutiert sei. Immerhin: Bei einem Sprechtag der Volksanwaltschaft vor Ort wurden auch positive Aspekte sichtbar – etwa neue tagesstrukturierende Angebote wie eine „Karrierewerkstatt“ und kreative Freizeitgruppen, die von der Volksanwaltschaft lobend erwähnt wurden. Doch bis zur vollumfänglichen Inbetriebnahme der Anstalt bleibt der Jugendvollzug auf Notbetrieb: Andere Gefängnisse – etwa Linz und St. Pölten – können ihre Jugendabteilungen „derzeit nicht als solche führen“ und sind durch die allgemeine Überbelegung zweckentfremdet. In Wiener Neustadt existiert zwar ein Konzept für einen eigenen Jugendtrakt, doch selbst dafür fehlt noch die Baugenehmigung.
Forderungen und Reaktionen der Politik
Angesichts der offengelegten Missstände mehren sich die Rufe nach raschem Handeln. Volksanwältin Gaby Schwarz appelliert an die neue Justizministerin Anna Sporrer, Verbesserungen im Jugendstrafvollzug zur Priorität zu machen. Die Volksanwaltschaft stehe mit ihrer Expertise jederzeit unterstützend bereit, so Schwarz. Sporrer selbst zeigte sich alarmiert: „Die heute von der Volksanwaltschaft erhobenen Vorwürfe nehme ich sehr ernst und habe bereits eine Prüfung durch mein Haus veranlasst“, ließ die Ministerin umgehend verlauten. Ein „moderner, effektiver, humaner und sicherer Strafvollzug“ liege ihr am Herzen, betonte Sporrer – mit besonderem Augenmerk auf den Jugendstrafvollzug und den Schutz jugendlicher Gefangener.
Konkrete Reformschritte werden nun diskutiert. Um die akute Überbelegung zu entschärfen, steht etwa eine Ausweitung des elektronisch überwachten Hausarrests im Raum. Diese Maßnahme – von Volksanwältin Schwarz und sogar dem Rechnungshof empfohlen – könnte schnell Entlastung bringen, Kosten sparen und die Resozialisierung fördern. Bisher ist der „Elektronische Fußfessel“-Vollzug in Österreich nur für kurze Reststrafen vorgesehen; Schwarz plädiert dafür, die Dauer auf bis zu 24 Monate auszuweiten. Dadurch könnten mehr (vor allem erwachsene) Häftlinge statt hinter Gittern unter Auflagen zu Hause oder in Wohneinrichtungen betreut werden. Für Jugendliche käme zudem verstärkt der Jugendarrest (kurze Freiheitsentziehung in speziellen Einrichtungen) oder die vermehrte Anwendung von gelinderen Mitteln in U-Haft in Betracht, um Untersuchungshaft zu vermeiden, wie es § 72 Jugendgerichtsgesetz ohnehin vorsieht. Letztlich geht es um einen Kulturwandel: Weg vom bloßen Wegsperren, hin zu echter Betreuung und Vorbereitung auf ein straffreies Leben danach.
Modelle mit Zukunft: Deutschland setzt auf Resozialisierung
Ein Vergleich mit Deutschland zeigt, wie Jugendstrafvollzug humaner und erfolgreicher gestaltet werden kann. Die deutsche Jugendgerichtsbarkeit verfolgt seit Jahrzehnten den Grundsatz „Erziehung vor Strafe“. In der Nachkriegszeit wurde – auch inspiriert von amerikanischen Ansätzen – ein System geschaffen, das auf Rehabilitation und Entwicklungschancen junger Straftäter setzt. In der Praxis bedeutet das: Inhaftierung kommt nur als letztes Mittel zum Einsatz, und wenn, dann meist für überschaubare Zeiträume. Rund 85 % der inhaftierten Jugendlichen und Heranwachsenden verbüßen in Deutschland Freiheitsstrafen von maximal zwei Jahren; längere Jugendstrafen über fünf Jahre sind die absolute Ausnahme. Dieses verhältnismäßig milde Vorgehen zeigt Wirkung: Nur etwa 30 % der jugendlichen Inhaftierten werden innerhalb von drei Jahren erneut straffällig und kehren ins Gefängnis zurück . Zum Vergleich: In den USA liegt die Rückfallquote junger Straftäter bei rund 75 %. (Für Österreich fehlen aktuelle Zahlen speziell für Jugendliche, doch insgesamt werden hier etwa 50 % der Entlassenen innerhalb von drei Jahren rückfällig.)

Ein Grund für Deutschlands Erfolge sind die gesetzlichen Vorgaben für den Jugendstrafvollzug, die in allen Bundesländern gelten. Die Vollzugsanstalten sind verpflichtet, Erziehung, Ausbildung und Resozialisierung in den Mittelpunkt zu stellen und die Würde der Jugendlichen zu achten. Strafe als Vergeltung soll keine Rolle spielen. Konkret erhalten junge Gefangene Schulunterricht oder Berufsausbildung, sie werden psychologisch betreut und zu sozialer Verantwortungsübernahme angeleitet. Das Wachpersonal in Jugendanstalten durchläuft eine fundierte zweijährige Ausbildung, die u.a. Psychologie und Konfliktmanagement einschließt . Waffen tragen die Beamten im Jugendvollzug in der Regel nicht; stattdessen setzen sie auf Deeskalation durch Kommunikation. „Nirgendwo war ein Gefühl von Angst oder ein schweres sicherheitstechnisches Arsenal zu spüren, wie Pfefferspray, Isolationshaft oder entwürdigende Leibesvisitationen – all das, was den US-Strafvollzug dominiert“, berichtete ein amerikanischer Experte nach dem Besuch einer deutschen Jugendanstalt staunend. Die Atmosphäre in deutschen Jugendhaftanstalten ist spürbar anders als in vielen Erwachsenen-Gefängnissen: heller, weniger von Gitterstäben geprägt, oft mit gemeinschaftlichen Räumen für Sport, Werken und Gespräche.
Neben dem klassischen geschlossenen Vollzug haben einige Bundesländer auch innovative Konzepte etabliert. In Baden-Württemberg etwa ist seit 2003 der Jugendstrafvollzug in freien Formen gesetzlich verankert. Dahinter stehen Modellprojekte wie das Seehaus Leonberg (bei Stuttgart) oder das Projekt Chance in Creglingen. Dabei handelt es sich um haftähnliche Wohngemeinschaften außerhalb von Mauern: Gruppen von etwa 7–10 jungen Straftätern leben zusammen mit Sozialpädagogen oder Familien in einem abgelegenen Haus statt im Gefängnis. Im Seehaus Leonberg können bis zu 21 Jugendliche untergebracht werden, die bereit sind, an sich zu arbeiten. Der Alltag dort ist streng strukturiert – mit Schulunterricht, handwerklicher Arbeit, Sport und gemeinschaftlichen Aktivitäten – aber eben in einem familienartigen Umfeld statt hinter Gittern. Das Konzept setzt auf Verantwortung und Wiedergutmachung: Die Jugendlichen müssen lernen, einen Haushalt zu führen, Konflikte gewaltfrei zu lösen und nach Regeln einer kleinen Gemeinschaft zu leben. Gleichzeitig leisten sie gemeinnützige Arbeiten, um ihren „Schaden“ an der Gesellschaft teilweise gutzumachen. Bewacher gibt es keine im herkömmlichen Sinn – die Betreuungspersonen schaffen vielmehr durch persönliche Bindung und Vorbildwirkung Sicherheit. Fluchtversuche sind extrem selten; die jungen Insassen wissen die Chance zumeist zu schätzen. Seit Einführung dieser freien Formen wurden in Deutschland zwar nur wenige solcher Einrichtungen geschaffen, doch die Erfahrungen sind überwiegend positiv. Die Rückfallquoten der Teilnehmer liegen nach Angaben der Träger deutlich unter dem Durchschnitt, und das soziale Klima erweist sich als förderlich für echte Reue und Neuorientierung. Baden-Württembergs ehemaliger Justizminister Ulrich Goll, der das Seehaus initiierte, sprach von einem „Vorzeigemodell mit Signalwirkung für ganz Deutschland“.
Jugendstrafrecht in der Schweiz: Betreuung statt Bestrafung
Noch konsequenter auf Wohlergehen und Zukunftschancen der Jugendlichen ausgerichtet ist das System in der Schweiz. Seit 2007 gilt dort ein eigenständiges Jugendstrafrecht für 10- bis 17-Jährige, das das Wohl des Jugendlichen ins Zentrum stellt. Freiheitsstrafen gegen Minderjährige sind äußerstes Ultima Ratio – und werden tatsächlich äußerst selten verhängt . Stattdessen kennt das Schweizer Recht eine Reihe von alternativen Sanktionen und Maßnahmen: Ermahnungen, Auflagen, Arbeitseinsätze, therapeutische Massnahmen oder die Platzierung in Erziehungsheimen. Selbst die Staatsanwaltschaften können in vielen Kantonen bereits im Vorverfahren auf solche Alternativen setzen, um einen Gerichtsprozess zu vermeiden, wenn dies dem Jugendlichen eher hilft. Dieser Ansatz zeigt Erfolge: Die Zahl jugendlicher Straftäter ist rückläufig, und wer verurteilt wird, landet nur in Ausnahmefällen hinter Gittern. Laut Analysen des Bundesamts für Statistik beträgt die Rückfallquote bei verurteilten Jugendlichen in der Schweiz rund 32 % binnen drei Jahren – ein Wert auf ähnlichem Niveau wie in Deutschland und deutlich niedriger als in vielen anderen Ländern.
Für jene Jugendlichen, bei denen eine geschlossene Unterbringung unumgänglich ist – etwa Schwerkriminelle oder Wiederholungstäter –, stehen in der Schweiz spezialisierte Jugendhaftanstalten oder Massnahmenzentren zur Verfügung. Diese Einrichtungen unterscheiden sich jedoch grundlegend vom herkömmlichen Strafvollzug. Ein Beispiel ist das Massnahmenzentrum Arxhof im Kanton Basel-Landschaft, das junge Erwachsene bis 25 Jahre beherbergt. Unabhängige Beobachter bescheinigen dem Arxhof eine altersgerechte Behandlung der Insassen. Die Gebäude sind farbenfroh und originell gestaltet, weit entfernt vom tristen Zellen-Einerlei . Den Jugendlichen wird ein vielseitiges Freizeit- und Beschäftigungsangebot gemacht – sei es Sport, Werkstätten, Gärtnerei (der Arxhof verfügt über Gewächshäuser) oder schulische Weiterbildung. „Die Räumlichkeiten verdienen besondere Anerkennung“, lobte die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter in einem Bericht. Kleine Wohngruppen und ein hoher Betreuerschlüssel sorgen dafür, dass auf individuelle Probleme eingegangen werden kann. So gibt es im Arxhof sowohl eine geschlossene Abteilung mit nur 8 Plätzen (für den Anfangs- und Krisenfall) als auch drei offene Wohngruppen und sogar eine Außenwohngruppe, in die schrittweise Lockerungen führen. Dieses Prinzip der “dynamischen Sicherheit” – Sicherheit durch Beziehung und Verantwortung statt durch Gitter und Isolation – prägt viele Schweizer Anstalten. Auch in der Untersuchungshaft wird auf Jugendliche besonders Rücksicht genommen: In Basel-Stadt existiert z.B. eine eigene Jugendabteilung im Untersuchungsgefängnis. Nach Kritik der Kommission wurden dort unverzüglich bauliche Verbesserungen eingeleitet und die jungen U-Häftlinge besser über ihre Rechte informiert. Solche Anpassungen zeigen den Stellenwert, den die Schweiz der menschenwürdigen Behandlung auch in Haft beimisst.

Nicht zuletzt setzt die Schweiz stark auf Nachbetreuung und Reintegration. Bereits während einer Maßnahme wird die Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet – etwa durch begleiteten externen Schulbesuch, Praktika oder therapeutische Urlaube. Die Devise lautet, dem jungen Menschen Perspektiven aufzuzeigen, anstatt ihn abzustempeln. Dieses ganzheitliche Modell – Verantwortung übernehmen lassen, aber auch Unterstützung bieten – trägt dazu bei, dass viele straffällig gewordene Jugendliche in der Schweiz den Weg zurück in ein straffreies Leben finden.
Ausblick: Wohin steuert Österreich?
Die kontrastierenden Beispiele aus Deutschland und der Schweiz machen deutlich, dass ein anderer Jugendstrafvollzug möglich ist – einer, der Menschenrechte wahrt und langfristig sowohl den Jugendlichen als auch der Gesellschaft zugutekommt. Österreich steckt in diesem Bereich aktuell in einer schwierigen Phase: Übervolle Gefängnisse, skandalöse Vorfälle und ein Neubau, der zum Symbol des Reformstaus geworden ist. Doch zugleich scheint das Problembewusstsein zu wachsen. Gaby Schwarz von der Volksanwaltschaft hat den Finger in die Wunde gelegt und fordert ein Umdenken: Weg von der Vorstellung, Haft müsse wehtun, hin zu der Erkenntnis, dass Haft für Jugendliche vor allem einen Zweck haben muss – nämlich dass sie danach nicht mehr straffällig werden.
Politisch stehen die Zeichen vorsichtig auf Veränderung. Die Justizministerin will den Jugendstrafvollzug verstärkt ins Auge fassen. Es gilt nun, die akuten Missstände zu beheben – keine Jugendlichen mehr in Erwachsenen-Zellen, ausreichend Bewegung und Betreuung, rasche Fertigstellung der Wiener Jugendanstalt – und darüber hinaus strukturelle Reformen anzugehen. Mehr Personal im Jugendvollzug wäre ein Anfang, um Angebote wie Sport, Ausbildung und Psychotherapie ausbauen zu können. Auch die Fortbildung der Mitarbeiter könnte nach deutschem Vorbild intensiviert werden, etwa in Deeskalationstechniken, um Gewalt vorzubeugen. Kleinere, dezentrale Einheiten für jugendliche Straftäter – vielleicht wieder ein eigenes Jugendgefängnis außerhalb der großen Haftkomplexe – könnten helfen, speziell auf diese Altersgruppe einzugehen. Und schließlich könnten Alternativen zur Haft viel stärker genutzt werden: vom sozialpädagogisch betreuten Wohnen bis zu gemeinnütziger Arbeit und elektronisch überwachtem Freigang.
Die Herausforderung besteht darin, den Spagat zwischen gesellschaftlichem Schutzbedürfnis und den Rechten junger Straftäter zu meistern. Deutschlands und der Schweiz niedrigere Rückfallquoten zeigen, dass mildere und menschlichere Wege erfolgreich sein können. „Die Gemeinschaft zu schützen und Straftäter zu einer rechtschaffenen Lebenseinstellung zu verhelfen“ – so umschreibt das österreichische Justizministerium selbst das Ziel des Strafvollzugs. Im Jugendstrafvollzug muss dieses Ziel besonders ambitioniert verfolgt werden. Jeder verhinderte kriminelle Rückfall eines jungen Menschen ist ein Gewinn – für ihn, für mögliche Opfer und für die Gesellschaft. Österreich steht nun am Scheideweg: Es kann von den „best practices“ der Nachbarn lernen und den Jugendstrafvollzug vom Problemfall zum Vorzeigeprojekt wandeln. Dafür braucht es politischen Willen, Investitionen und einen langen Atem – doch es geht um nichts Geringeres als die Zukunftschancen junger Menschen, die trotz ihrer Fehltritte nicht aufgegeben werden dürfen.
Quellen: Volksanwaltschaft, ORF NÖ, IRKS/Moment, Ö1, Die Presse, Imprint News, Springer Handbook, admin.ch, Wikimedia Commons.
Österreichische Politiker*innen haben seit Jahren das Problem dass sie ihren Blick auf das richten, das in anderen Ländern schon nicht funktioniert hat. Diese negativen Erfahrungen werden dann frohen Mutes als „das Neue“ importiert, etwas „verfeinert“ um danach zu sagen „wir haben es probiert Leute- stimmt, es funktioniert wirklich nicht“.
Frage mich auch was es noch „zu prüfen“ gibt, die Justizministerin braucht nicht’s mehr prüfen lassen, sie soll alle Massnahmen welche die Expert*innen bereits vorgelegt haben in Auftrag geben und mit einem Enddatum der Umsetzung versehen., erst danach können auch alle Beteiligten im Straf,- und Massnahmenvollzug ihre Arbeit gewissenhaft ausführen.
Ansonsten zeichnet sich ein nie enden wollendes Trauerspiel auf Kosten zukünftiger Generation ab – und alle leiden darunter.