Warum psychisch kranke Straftäter nicht ewig eingesperrt bleiben dürfen. Wenn ein Mensch eine schwere Straftat begeht, aber psychisch so krank ist, dass er nicht weiß, was er tut, wird er nicht ins Gefängnis geschickt – sondern in ein forensisch-therapeutisches Zentrum. Dort soll er Hilfe bekommen: Therapie, Medikamente, Unterstützung. Doch wann darf so jemand wieder raus?

Eine neue Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Wien (17 Bs 323/24k und 17 Bs 326/24a) zeigt: Es geht nicht darum, ob jemand früher gefährlich war – sondern ob die Gefahr heute noch besteht.

Worum geht es?

Ein 21-jähriger Mann, der unter paranoider Schizophrenie leidet, wurde 2023 in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen. Er hatte eine Person mit dem Tod bedroht und versucht, ein minderjähriges Mädchen sexuell zu belästigen. Weil er zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig war, wurde er nicht verurteilt, sondern „untergebracht“ – das heißt, er sollte in einer geschlossenen Einrichtung therapiert (§ 21 StGB) werden.

Nach einiger Zeit machte er Fortschritte: Er nahm seine Medikamente regelmäßig, war stabil, machte Therapien mit und hatte sogar Aussicht auf einen Therapieplatz und eine betreute Wohnung. Also stellte er mithilfe seines Anwalts einen Antrag auf bedingte Entlassung. Alternativ wollte er wenigstens probeweise draußen leben dürfen – eine sogenannte Unterbrechung der Unterbringung.

Was entschied das Gericht zuerst?

Das zuständige Landesgericht Korneuburg lehnte alles ab – ohne ein neues Gutachten einzuholen. Es berief sich auf das alte Einweisungsgutachten und meinte: Eine Entlassung sei nicht sinnvoll. Auch eine kurze Unterbrechung sei zu gefährlich.

Was sagte das OLG Wien dazu?

Das Oberlandesgericht Wien widersprach und hob die Entscheidungen auf. Es stellte klar: Wenn ein Betroffener im Laufe der Therapie erkennbare Fortschritte macht, reicht ein altes Gutachten nicht mehr aus. Die Justiz muss sich ein aktuelles Bild verschaffen – und dafür braucht es eine unabhängige psychiatrische Einschätzung.

Das OLG beauftragte daher ein neues forensisch-psychiatrisches Gutachten, um zu prüfen, ob die ursprünglich vorhandene Gefährlichkeit durch Therapie, Medikamente und engmaschige Betreuung ausreichend reduziert werden konnte.

Wie ging es weiter?

Auf Grundlage dieses neuen Gutachtens entschied das Gericht, dass der Mann bedingt entlassen werden kann – unter Auflagen und Kontrolle. Er wurde in eine betreute Wohneinrichtung im Westen Österreichs aufgenommen, wo er weiterhin psychiatrisch und therapeutisch begleitet wird und an seiner Stabilisierung arbeiten muss.

Die Justiz bleibt in der Verantwortung: Sollte er sich nicht an die Auflagen halten oder wieder straffällig werden, kann die bedingte Entlassung aus der Maßnahme widerrufen werden.


Begriffe einfach erklärt

  • Maßnahmenvollzug: Spezielle Form der Unterbringung für psychisch kranke Rechtsbrecher. Kein Strafvollzug, die Behandlung sollte im Mittelpunkt stehen.
  • § 21 Abs 1 StGB: Regelung, wann jemand, der schuldunfähig ist, untergebracht werden darf.
  • Bedingte Entlassung: Jemand darf unter bestimmten Auflagen freikommen – bleibt aber unter Beobachtung.
  • Unterbrechung der Unterbringung (UdU): Eine Art „Probezeit draußen“ – zeitlich befristet.
  • Forensisches Gutachten: Fachliche Einschätzung eines Psychiaters zur Frage, ob jemand noch gefährlich ist.
  • Gefährlichkeit: Juristischer Begriff für das Risiko, dass jemand erneut schwere Straftaten begeht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert