Mit der elektronischen Fußfessel wird ein wichtiger Schritt zur Resozialisierung außerhalb von Gefängnismauern versucht. Sie eröffnet Perspektiven für ein selbstbestimmteres Leben – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Anstelle der Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einen Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest („elektronische Fußfessel“ bzw. „EÜH“) zu stellen. Dieser Antrag kann vor Strafantritt („Front Door“) oder auch nach dem Strafantritt („Backdoor“) durch den Verurteilten gestellt werden. Grundsätzlich ist es auch möglich die U-Haft im EÜH zu verbringen . Zum Stichtag des 1. August 2020 hatten 385 Personen, eine elektronische Fußfessel. (Stand 1. April 2025, justiz.gv.at)

Der überwiegende Vorteil der elektronischen Fußfessel ist, dass die betroffene Person ihr soziales Umfeld nicht verliert und im eigenen Heim wohnen bleiben kann. Der bisherigen Tätigkeit kann weiterhin nachgegangen werden, wodurch der Arbeitsplatz nicht verloren geht. Das ist überaus wichtig, um sich sozial und familiär nicht zu entfremden. Gerade bei sehr kurzen Freiheitsstrafen ist eine elektronische Fußfessel daher überaus sinnvoll.

Voraussetzungen der elektronischen Fußfessel

Dem § 156c des Strafvollzugsgesetz (StVG) sind die Voraussetzungen der elektronischen Fußfessel zu entnehmen. Demnach darf die zu verbüßende oder noch zu verbüßende Strafzeit grundsätzlich zwölf Monate nicht übersteigen. Dabei muss jedoch auch eine allfällige bedingte Entlassung berücksichtigt werden. Es muss in Österreich eine geeignete Unterkunft zur Verfügung stehen. Die betroffene Person muss einer Beschäftigung nachgehen und ein Einkommen beziehen, mit dem der Lebensunterhalt bestritten werden kann. Außerdem muss eine aufrechte Kranken-und Unfallversicherung bestehen und die im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen müssen schriftlich einwilligen.

Ausschluss der elektronischen Fußfessel

Die elektronische Fußfessel kommt nicht in Betracht bei einer zeitlich offenen Einweisung in den Maßnahmenvollzug nach § 21 Strafgesetzbuch (StGB), weil die unbeschränkte Maßnahme vor der Freiheitsstrafe zu vollziehen ist und damit keine Haftzeitperspektive möglich ist. Auch bei einer Unterbringung nach § 23 StGB ist sie nicht möglich sowie bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe, weil hier keine „zeitliche Freiheitsstrafe“ vorliegt.  Bei einer Unterbringung nach § 22 StGB scheidet die elektronische Fußfessel ebenfalls aus, weil bei allen Formen der Unterbringung eine intensive, engmaschige, gefährlichkeitsspezifische Betreuung der betroffenen Person notwendig ist, die dem Wesen der elektronischen Fußfessel widersprechen würde.
(OLG Wien 132 Bs 28/18i; Drexler/Weger, StVG5 § 156c Rz 2)

Bei Sexualstraftätern ist es erforderlich, dass die verurteilte Person die Hälfte der Strafe, zumindest aber drei Monate verbüßt, erst danach kommt ein Vollzug im Sinne einer elektronischen Fußfessel in Betracht (§ 156c Abs 1a StVG).

Die Art und Durchführung der elektronischen Fußfessel

Die Verordnung über den Vollzug von Strafen und der Untersuchungshaft durch elektronisch überwachten Hausarrest („HausarrestV“) regelt die Art und Durchführung der elektronischen Fußfessel, die Gestaltung der Bedingung der Lebensführung außerhalb der Anstalt, das Aufsichtsprofil, die Kosten der elektronischen Fußfessel, die mit EUR 22,00 pro Tag festgesetzt sind, sowie die Untersuchungshaft in Verbindung mit der elektronischen Fußfessel.

Dort ist geregelt, dass die Fußfessel um den Fußknöchel der Person getragen wird und diese einen Funksender hat, der mit der in Reichweichte befindlichen Basisstation Verbindung aufnimmt. Diese Basisstation wird in der Unterkunft der betroffenen Person installiert. Überwacht werden die An- und Abwesenheitszeiten in der Unterkunft (§ 2 HausarrestV). Zudem sind die Bedingungen für die Lebensführung außerhalb der Anstalt klar zu regeln. Es wird deutlich, dass die „gewonnene Freiheit“ durch das Tragen der elektronischen Fußfessel an strenge Auflagen gebunden ist. So muss etwa festgelegt werden, zu welchen Zeiten der notwendige Lebensbedarf gedeckt werden darf, wann Arztbesuche oder andere therapeutische Maßnahmen stattfinden sollen und welche Betreuungs- und Kontrollmaßnahmen erforderlich sind. Dabei handelt es sich um das sogenannte „Aufsichtsprofil“, das den Tagesablauf regelt, nämlich zu welchen Zeiten sich der Betroffene, wo aufhalten darf. Sollte dagegen verstoßen werden, würde das einen Alarm bei der Überwachungszentrale auslösen. Ebenso muss sichergestellt sein, dass jederzeit ein Zutritt zur Unterkunft möglich ist.

Darüber hinaus können spezielle Verhaltensauflagen festgelegt werden – etwa Kontaktverbote, Aufenthaltsverbote für bestimmte Orte oder die Verpflichtung zur regelmäßigen Durchführung von Alkohol- und Drogentests. Die Missachtung dieser Bedingungen kann zum Widerruf der Vollzugsform führen.

Inwieweit die Vorgaben und Bedingungen, das Leben einer Person mit elektronischer Fußfessel tatsächlich einschränkt und wie das Leben mit einer Fußfessel generell ist, erörterten wir im Interview mit einer Person mit festem Aufsichtsprofil und in der Folge mit einer Person mit flexiblem Aufsichtsprofil sowie anschließend mit einem Mitarbeiter des Vereins Neustart.

Foto: Neustart (c) feelimage / Matern

Interview mit einer betroffenen Person mit striktem Aufsichtsprofil

Seit wann tragen Sie die elektronische Fußfessel? Ich trage die elektronische Fußfessel seit Oktober 2024. Ich war zuerst in einer Justizanstalt und war dort Freigänger. Als Freigänger habe ich als Hausarbeiter. Kurz vor dem Ende meiner Haft habe ich den Verein Neustart kontaktiert und mit deren Hilfe einen Job gefunden.

Wie sieht Ihr Tagesablauf mit der elektronischen Fußfessel aus? Ich habe Zeiten, wo ich rausgehen muss, wo ich in der Arbeit sein muss. Grundsätzlich habe ich von 07:00 Uhr bis 08:00 „Wegzeit“, um in die Arbeit zu kommen. Ich arbeite dann von 08:00 Uhr bis 16:30 Uhr. Von 16:30 bis 17:30 Uhr habe ich wieder eine Stunde Zeit, um nachhause zu fahren. Von 17:30 bis 18:30 Uhr darf ich mich eine Stunde im Freien aufhalten. Grundsätzlich soll man da Sport machen und spazieren gehen. Ich könnte da aber auch in die Kirche oder ins Kaffeehaus gehen, solange ich rechtzeitig wieder zuhause bin, kann ich hingehen, wo ich will.

Wie ist es mit spontanen Anlässen oder wenn Sie etwas machen wollen, was vorab nicht geplant war? Das mach ich mir alles mit meiner Betreuerin von dem Verein Neustart aus. Sie organisiert das und es geht meistens in Ordnung. Wenn ich spontan früher zum Arbeiten aufhöre, dann rufe ich bei der Fußfesselzentrale an und sage, dass ich früher aufhöre. Sie fragen mich dann, wie lange ich brauche, um nachhause zu fahren und dann muss ich auch in der Zeit, die ich angebe, wieder in meiner Wohnung sein. Trotzdem habe ich am selben Tag meine reguläre Zeit für den Aufenthalt im Freien, nämlich wieder um 17.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Es ist wichtig, wenn irgendetwas ist, dass ich dann in der Zentrale anrufe. Als ich krank war in der Arbeit, rufe ich in der Zentrale an und sage, dass ich krank bin, noch zum Arzt und dann nachhause gehe und das geht in Ordnung.

Wie wird die elektronische Fußfessel von Ihren Freunden und der Familie aufgenommen? Es wird generell sehr gut aufgenommen, weil es nicht als Haft angesehen wird. Ich habe fast keine Einschränkungen. Ich fühle mich auch „frei“ im Vergleich zur Haft, weil ich jetzt nicht mehr bevormundet und beaufsichtigt werde. Ich bin 55 Jahre alt. Es fehlt mir schon zu reisen und ich würde schon sagen, dass es ein bisschen eine Einschränkung ist. Ich muss eben zuhause sein. Ich kann mich auch an einen Vorfall erinnern, da hatte ich Urlaub und habe meine Wohnung renoviert. Dann haben mir Sachen aus dem Baumarkt gefehlt und ich konnte nicht gleich rausgehen, um diese zu besorgen. Ich finde es aber trotzdem als großes Privileg, dass ich die elektronische Fußfessel habe. Meine Arbeit ist ein großes Privileg. Zusätzlich habe ich die Fußfessel über den Winter getragen und da macht man eh nicht so viel. Am Wochenende jetzt im Frühling würde ich schon mehr rausgehen wollen. Jetzt ist es so, dass ich am Samstag fünf Stunden rausgehen darf, davon zwei Stunden, um meinen Lebensbedarf zu besorgen und drei Stunden darf ich mich im Freien aufhalten. Am Sonntag habe ich zwei Stunden „Aufenthalt im Freien“.

Gab es soziale Ablehnung? Stigmatisierungen? Z.B. auch beim Sport, wenn Sie die elektronische Fußfessel nicht ausreichend verstecken können? Niemand bemerkt die Fußfessel, aber alle wissen es. Am Anfang hatte ich viel Besuch von meinen Freunden, weil sie sich gefreut haben, dass sie mich wiedergesehen haben, seit der Haft. Die freuen sich für mich.

Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile und die Nachteile der Fußfessel? Was belastet Sie daran am meisten? Es ist eine Einschränkung, dass ich nicht rausgehen kann, wann ich möchte, das ist schon eine Belastung. Der große Vorteil ist aber, dass ich raus bin aus der Haft und auch kein Haftgefühl mehr habe. Ich kann meine Familie sehen, schlafe, dusche und esse zuhause. Für mich persönlich war es viel wert.

Wie denken Sie könnte man das System rund um die elektronische Fußfessel verbessern? Es sollten einfach viel mehr Menschen eine elektronische Fußfessel bekommen. Ich habe Leute in der Haft kennengelernt, die meiner Meinung nach dort gar nicht hingehören. Die Haftbedingungen sind hald eine eigene Geschichte. Es gibt viel mehr Leute, denen würde ich sagen, es wäre besser, wenn sie eine Fußfessel hätten als in der Justizanstalt zu sein. Die elektronische Fußfessel bekommen nur Leute, die im Freigang sind, da ist man eh schon privilegiert, da hat man sich vorher eh schon benommen. Das große Haftübel sind die Kollegen, das hat aber nichts mit Gewalt zu tun, sondern mit der Art wie die sind.

Gab es bisher irgendwelche Probleme mit der elektronischen Fußfessel? Organisatorische Probleme und administrative Probleme gibt es schon würde ich sagen. Ich muss alle zwei Wochen zum Verein Neustart.

Wie ist für Sie das Gefühl, dass Sie überwacht werden? Wie fühlen Sie sich damit? Ich fühle mich relativ frei, aber ich habe gehört, dass es für viele Leute ein Problem sein kann. Leute, die sozial nicht so sind, wie ich. Ich habe meine Lebensgefährtin und Freunde und die kommen mich besuchen und andere sind vielleicht viel mehr allein. Mein soziales Umfeld ist total okay, daher passt es für mich.

Der betroffenen Person war es ein Anliegen am Interview mitzuarbeiten, um noch mehr Menschen zu ermutigen, die elektronische Fußfessel zu beantragen.

Interview mit einer betroffenen Person mit flexiblem Aufsichtsprofil

Seit wann tragen Sie die elektronische Fußfessel? Ich habe die Fußfessel seit Anfang dieses Jahres und war davor in Simmering inhaftiert. Dort habe ich sie beantragt, also „Backdoor“.

Wie sieht Ihr Tagesablauf mit der elektronischen Fußfessel aus? Der ist sehr streng durchstrukturiert, ich stehe um 05:00 Uhr früh auf, automatisch, manchmal sogar um 04:30 Uhr, dann mache ich mir einen Kaffee und setze mich am Computer und dann geh ich um 08:00 Uhr früh von zuhause in die Arbeit. Ich habe eine Stunde Wegzeit. Um 09:00 Uhr beginnt meine Arbeit. Ich bin als Fahrer tätig im Logistikbereich und mache Postwege, Botenfahrten, Möbeltransport. Ich habe ein flexibles Aufsichtsprofil, weil ich Fahrer bin, das heißt, ich kann mich in Österreich relativ frei bewegen. Ich arbeite bis 16:30 Uhr und habe dann eine Stunde Zeit, um nachhause zu fahren. Ab 18:00 darf ich mich eine Stunde im Freien aufhalten. Das ist mein Plan von Montag bis Freitag. Am Samstag habe ich von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr Einkaufszeit. Das ist auch nur zum Einkaufen gedacht. Von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr habe ich Freizeit. Wenn ich mit dem Einkaufen schneller fertig bin, dann muss ich nachhause gehen. Ich versuche das schon einzuhalten. In meiner Freizeit da gehe ich auch Kaffee trinken oder ins Museum, ich war kürzlich erst in der Albertina. Ich versuche mich kulturell weiterzubilden. Am Sonntag habe ich drei Stunden Freizeit von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr, da kann ich machen, was ich will, ich muss nur rechtzeitig zurück sein.

Wie ist es mit spontanen Anlässen oder wenn Sie etwas machen wollen, was vorab nicht geplant war? Wenn ich spontan zum Arzt muss, funktioniert das ganz unproblematisch. In diesem Fall rufe ich bei der Überwachungszentrale in Josefstadt an, und melde derartige Fälle. Das geht aber nicht für Spaß oder Vergnügen.

Wie wird die elektronische Fußfessel von Ihren Freunden und der Familie aufgenommen? Sehr gut, ich hatte bis dato keine Probleme.

Gab es soziale Ablehnung? Stigmatisierungen? Z.B. auch beim Sport, wenn Sie die elektronische Fußfessel nicht ausreichend verstecken können? Das war meine größte Sorge, aber niemand ist ablehnend, es erzeugt Interesse und Neugier. Viele wollen wissen, was ich begangen habe. Bis jetzt nichts Negatives.

Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile und die Nachteile der Fußfessel? Was belastet Sie daran am meisten? Zu den Nachteilen kann ich sagen, dass ich als Referenz immer die Zeit vor der Fußfessel hernehme und es gibt eigentlich keine Nachteile. Heute war ich bei einem Bewerbungsgespräch und dann war ich früher fertig, dann muss ich in der Zentrale anrufen und in solchen Situationen spürt man die Einschränkung schon, aber es ist keine direkte Belastung. Der Vorteil ist, ich bin in meinem gewohnten sozialen Umfeld mit meinem Vater und ich habe einen durchstrukturierten Alltag. Aus allem Negativen nehme ich mir das Positive raus. Alles, was jetzt passiert, ist für mich positiv. Mein Tagesablauf ist streng durchstrukturiert und ein anderer würde sich vielleicht beklagen, aber ich lerne jetzt dazu. Auch durch die Haft an sich. Ich habe durch die Haft eine Erfahrung gemacht, die 90 % der Menschen nicht haben. Ich war effektiv 12 Monate in Haft, davon 6 Monate in U-Haft in der JA Josefstadt und dann 6 Monate in der JA Simmering. Dann bekam ich Ausgänge. Zum Schluss war ich Freigänger. Die Haftzeit von einem ganzen Jahr war schon schlimm. Die Anfangszeit war ganz schlimm, 12 Stunden davor habe ich noch Cocktail geschlürft, dann war ich in einer Zelle mit 10 Personen aus unterschiedlichen Ländern und man fühlt sich, wie wenn man nackt auf die Welt kommt. Man hat keine Zigaretten, man kennt sich nicht aus. Aber der Zustand hielt 2-3 Wochen so an. Dann habe ich relativ schnell Arbeit gefunden: Ich habe in der Beamtenküche gearbeitet als Kellner. In Bezug auf einen freien Menschen habe ich nur Nachteile, aber im Vergleich zu jemanden der eingesperrt ist, sehe ich nur Vorteile.

Wie denken Sie könnte man das System rund um die elektronische Fußfessel verbessern? Am System könnte man ändern, dass es ein bisschen mehr Freizeit gäbe. Jetzt steigen die Temperaturen und ich komme müde aus der Arbeit. Eine Stunde Aufenthalt im Freien ist so knapp. Ich kann nicht mal ins Fitnesscenter gehen, weil Zeit dorthin, dann das Training, duschen und die Wegzeit zurück, das würde zu lange dauern. Das könnte man schon irgendwie verbessern, vielleicht ganz wenig mehr Freizeit. Die Geräte könnten auch ein wenig kleiner sein noch und leichter. Duschen gehe ich ja auch mit der Fußfessel, ich darf sie nicht runter geben. Die Kommunikation mit der Überwachungszentrale und dem Verein Neustart ist sehr gut.

Gab es bisher irgendwelche Probleme mit der elektronischen Fußfessel? Technisch gab es schon Probleme. Am ersten Tag, wo ich sie bekommen habe, ist sie ausgefallen, dann musste ich sofort nach Josefstadt. Einmal ist mein Fuß so stark angeschwollen, dann musste ich nach Josefstadt. Dort wurde der Fußfessel am anderen Fuß gelegt.

Wie ist für Sie das Gefühl, dass Sie überwacht werden? Wie fühlen Sie sich damit? Ich fühle mich nicht überwacht, aber das kommt deswegen, weil ich ein flexibles Aufsichtsprofil habe. Andere müssen die ganze Zeit am Betriebsstandort bleiben, die können dann nicht mal zum Billa kurz gehen.

Foto: Neustart (c) feelimage / Matern

Interview mit einem Mitarbeiter des Verein Neustart

Welche Rolle spielt der Verein Neustart für die elektronische Fußfessel? Was ist die Aufgabe des Vereins im Zusammenhang mit der Fußfessel?

Der Verein NEUSTART erhält von der jeweils für den elektronisch überwachten Hausarrest (EÜH) zuständigen Justizanstalt einen Erhebungsauftrag. In diesem Erhebungsauftrag soll die sozialarbeiterische Einschätzung getroffen werden, ob die Person für den EÜH geeignet ist, diese Vollzugsform nicht missbrauchen würde und ob sie die Rahmenbedingungen erfüllt (Hausbesuch für die Unterkunft während des EÜH, Einschätzung Arbeitsstelle, finanzielle Situation, aufrechte Unfall- und Krankenversicherung und Einholung der Zustimmung von den Mitbewohner:innen – wenn welche in der Wohnadresse gemeldet sind). Darüber hinaus werden Maßnahmen empfohlen, die die Durchführung des EÜH unterstützen würden (z.B. Termine bei der Psychotherapie usw.). Die Entscheidung über die Bewilligung des EÜH obliegt aber rein der Justizanstalt.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile und die Nachteile der elektronischen Fußfessel?

Die Vorteile der Fußfessel sind, dass der EÜH die Möglichkeit bietet die Haftstrafe (Resthaftzeit unter einem Jahr) außerhalb einer Zelle zu verbüßen. Ob eine verurteilte Person die Haft im Hausarrest verbringen kann, entscheidet die Justizanstalt. Während für Insass:innen innerhalb von Justizanstalten Kosten von rund 130,00 Euro pro Tag anfallen, ist das Verbüßen der Strafe im Hausarrest mit deutlich weniger Kosten verbunden. Die sozialen Kontakte und die Arbeitsstelle bleiben erhalten, die Familie versorgt und Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge können gezahlt werden. All dies dient dem Ziel der möglichst raschen Resozialisierung von Straftäter:innen und ist aus volkswirtschaftlicher Sicht eine sinnvolle Variante des Strafvollzugs. Die Personen leisten abhängig von ihrem Einkommen auch einen Beitrag für den EÜH. In den ersten drei Jahren nach positivem Abschluss des EÜH kam es bei 88% zu keiner weiteren Inhaftierung (Hofinger: Die elektronische Fußfessel seit ihrer Einführung, IRKS, 2018). Die Nachteile sind, dass die Personen die für den EÜH in Frage kommen sehr strukturiert sein müssen, um den strikten Tagesablauf einhalten zu können und die Rahmenbedingungen erfüllen müssen (Arbeitsstelle, Finanzierung des eigenen Lebensunterhalts, Wohnung usw.).

Was könnte man am System der elektronischen Fußfessel verbessern?

Vorteilhaft wäre eine Verlängerung der Dauer des EÜH. Dies würde aber auch eine Adaption der Rahmenbedingungen bedeuten (stufenweises Modell während des EÜH um mehr Freiraum zu erhalten, Urlaubsanspruch, usw.). Die Herausforderung liegt bei den Personen, die den Antrag aus der Haft heraus stellen, eine passende Wohnung und Beschäftigung aufzustellen. Da wäre die Förderung von leistbarem Wohnraum und z.B. mehr Plätzen in sozialökonomischen Betrieben vorteilhaft.

Wie gehen die Betroffenen Ihrer Meinung nach mit der elektronischen Fußfessel um? Erleben Sie diese als starke Einschränkung oder wird sie überwiegend positiv wahrgenommen?

Insgesamt wird der EÜH als Unterstützung von den betroffenen Personen angesehen. Einerseits für die Personen, die den EÜH für die verbleibende Resthaftzeit von einem Jahr nutzen wollen, um sich im Rahmen des EÜH wieder auf die Rückkehr in die Gesellschaft eigenständig vorbereiten wollen. Andererseits aber auch für Personen, die insgesamt eine Haftzeit von unter einem Jahr auferlegt bekommen haben und dadurch die Inhaftierung in einer Justizanstalt abwenden können. Sie verlieren nicht ihre Wohnung, Arbeitsstelle und werden auch nicht von ihrer Familie oder sozialen Umfeld getrennt. Dies sind Faktoren, die bei der Resozialisierung stark unterstützend sind.

Bemerken Sie eine Stigmatisierung von außen für Betroffene der elektronischen Fußfessel?

Diese Personen haben die größten Hürden als Straftäter:innen auf dem Weg zur Resozialisierung schon einmal gemeistert. Sie haben eine Wohnung und Arbeitsstelle gefunden. Eine weitere Stigmatisierung von außen ist eher nicht zu erkennen, da es den Personen selbst obliegt, ob sie mitteilen wollen, dass sie sich im EÜH befinden. Sie sind ein Teil der Gesellschaft. Das augenscheinlichste Merkmal, das sie sich in Haft befinden, ist die elektronische Fußfessel.

Weshalb muss ein Betroffener alle zwei Wochen zum Verein Neustart? Was wird da geklärt?

Die Sozialarbeiter:innen von NEUSTART erstellen gemeinsam mit ihnen einen Wochenplan mit den erlaubten Abwesenheiten von daheim und üben neben der unterstützenden auch eine kontrollierende Funktion aus. Die Sozialarbeiter:innen helfen bei der Stärkung der Motivation, bei Konflikten am Arbeitsplatz oder mit Mitbewohner:innen, bei finanziellen oder psychosozialen Problemen und bei der Entwicklung von Strategien zur Vermeidung neuerlicher Straftaten. Der letzte Punkt erfolgt im Rahmen gezielter Auseinandersetzung mit dem begangenen Delikt. Zu Beginn sind es wöchentliche Termine, um die neue Vollzugsform gut zu implementieren. In weiterer Folge und je nach Entwicklung können die Termine auch alle 2 Wochen stattfinden.

Conclusio

Die elektronische Fußfessel wird sowohl von den Betroffenen als auch dem Verein Neustart als sehr positiv aufgenommen und es wird von allen Seiten dazu ermutigt, diese anzustreben. Die Vorteile der elektronischen Fußfessel überwiegen im Ergebnis die Nachteile und die tatsächlichen Einschränkungen werden durch die Betroffenen als eher gering gewertet.

One Reply to “Zwischen Überwachung und Resozialisierung: Die Rolle der elektronischen Fußfessel”

  1. Sehr interessanter Artikel. Ich frage mich allerdings weiterhin wozu es überhaupt Haftstrafen unter 12 Monate braucht, insbesondere dann wenn bei Verurteilten, soziale wie auch berufliche Umstände eine alternative Strafform unterstützen und somit eine Rückfälligkeit eher gering sein kann. Es wurde erwähnt, Volkswirtschaftliche Kosten sind reduziert, durch die Anbindung an die Soz. Versicherung sind Folge Kosten im Gesundheit,- und auch Pensions System reduziert, ich denke weiters, die hoch angespannte Personal und Raum Not in unseren Gefängnissen würde sich entspannen, würde man vermehrt auf „EÜH“ setzen.
    Wie sieht es bei Müttern in Haft aus, gibt es dazu Zahlen ob Frauen in Haft die Möglichkeit genauso nützen können?

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