Jede der 27 Haftanstalten in Österreich ist ein Universum für sich. Nicht alles, was hier gesagt wird, trifft auf alle in gleicher Weise zu. Aber solang es nur eine Justizanstalt gibt, die das StVG nicht vollständig umgesetzt hat, ist es eine zu viel.

Im Folgenden wird zuerst der jeweilige Paragraph zitiert und danach mit der Realität verglichen. Es handelt sich keineswegs um eine vollständige Darstellung der Situation sondern um exemplarische Beispiele.

Unterbringung

Das Gesetz: §124 StVG

(1) Die Strafgefangenen sind bei Tag so lange wie möglich in Gemeinschaft mit anderen, während der Zeit der Nachtruhe möglichst einzeln unterzubringen. Soweit es nach der Art des Vollzuges und den sonstigen Umständen zweckmäßig ist, hat die Unterbringung in Wohngruppen oder sonst ohne Verschließung der Haft- oder Aufenthaltsräume bei Tag zu erfolgen.

Die Wirklichkeit

Hafträume mit 1 – 10 Insassen.

Einzelhaftraum: Den ganzen Tag allein.

Zehnerhaftraum: auch in der Nacht mit den anderen.

Haftraum des Forensisch-Therapeutischen-Zentrum Mittersteig

Aktuell gibt es Pläne, den Belag der Hafträume aufzustocken: „Wir haben Räume, in denen jetzt drei Personen sind, da könnte man ein viertes Bett hinein stellen. Oder Räume für sechs Personen, die groß genug wären für ein siebentes oder achtes Bett oder ein Stockbett.“   (Anstaltsleiter Gerhard Derler im KURIER-Gespräch. https://kurier.at/chronik/steiermark/gefaengnis-karlau-insassen-anzahl-justizministerium/402863876. Abgerufen 28.8.24).

Ein ungeregeltes Problem: keine zwingende Trennung von Rauchern und Nichtrauchern. Sieht das Gesetz nicht vor. …

Hygiene

Das Gesetz: § 42 StVG

(2) Die Strafgefangenen haben ihren Körper so zu pflegen, wie es Gesundheit und Reinlichkeit erfordern. …Weigert sich ein Strafgefangener trotz Belehrung, seinen Körper zu pflegen oder pflegen zu lassen, sodaß er Ekel erregt oder sich oder andere an der Gesundheit gefährdet, so ist er insoweit einer zwangsweisen Körperpflege zu unterwerfen, als es zur Behebung dieses Zustandes erforderlich ist.

Hier zeigt sich die Vorstellung von vor 55 Jahren, als tägliches Duschen tatsächlich noch nicht üblich war.

(3) Die Strafgefangenen haben täglich so viel warmes Wasser zu bekommen, daß sie sich gründlich reinigen können. Darüber hinaus ist ihnen so oft, wie es nötig ist, mindestens aber zweimal wöchentlich, Gelegenheit zu einem warmen Brause- oder Vollbad zu geben.

Die Wirklichkeit

In der JA Wien-Josefstadt kann man nur zweimal in der Woche duschen. Mehr schafft das System nicht.

In den Hafträumen gibt es nur kaltes Wasser.

Das heißt, die Bestimmung täglich warmes Wasser, wird hier seit Jahrzehnten ignoriert …Aber auch in Stein gibt es – laut Auskunft eines Insassen – in der Zugangsabteilung nur kaltes Wasser.

Arbeit

Das Gesetz §45 StVG

(1) Es ist Vorsorge dafür zu treffen, daß jeder Strafgefangene nützliche Arbeit verrichten kann.

Es besteht also theoretisch Arbeitspflicht.

Die Wirklichkeit

Aber: Arbeit ist ein rares Gut und wird zum Privileg.

Grund: Die Betriebe sind oft geschlossen, weil die dort diensthabenden Beamten wegen Personalmangels auf den Abteilungen bleiben müssen.

Krankenstände, Urlaube … In den Sommermonaten ist es mit der Arbeit am schlechtesten.

Sport und Bewegung

Das Gesetz: §43 StVG

Wenn es die Witterung nicht ausschließt, haben Strafgefangene … täglich … das Recht, sich … eine Stunde im Freien aufzuhalten. Der Aufenthalt im Freien ist darüber hinaus auszudehnen, wenn dies ohne Beeinträchtigung des übrigen Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist. …

Die Wirklichkeit

Der Hofgang entfällt, wenn es kalt ist, wenn es nieselt, wenn es schneit, wenn Eis oder Schnee liegt, wenn zu wenige Beamte in Dienst sind …

Die Qualität der Spazierhöfe ist sehr verschieden … In manchen gibt es auf unten und auf den Seiten nur Beton und kein grünes Blättchen.

Viele verzichten auf den Hofgang, bei Höfen, wo man nur im Kreis marschieren kann.

Viele kommen im Sommer leicht angezogen und haben im Winter nichts Warmes und können daher am Hofgang nicht teilnehmen falls sich nicht eine mitleidige Seele findet, die ihnen Gewand vorbei bringt. Das kann ein Mitinsasse sein oder die Gefängnisseelsorger oder der Soziale Dienst. Aber nix ist fix und so trifft man auch im tiefen Winter Insassen leicht bekleidet an, die nie in den Genuss des Hofganges kommen.

Verpflegung

Das Gesetz: §38 StVG

(1) Die Strafgefangenen sind mit einfacher Anstaltskost ausreichend zu verpflegen. Die Kost muß den ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen und schmackhaft sein; sie ist zu den für die Einnahme von Mahlzeiten allgemein üblichen Tageszeiten auszugeben.

(2) Bei der Verpflegung ist auf eine reichlichere Kost für Strafgefangene, die Arbeit verrichten, auf Abweichungen von der allgemeinen Kost, die der Anstaltsarzt für einzelne Strafgefangene wegen ihres Gesundheitszustandes verordnet, sowie auf die dem Glaubensbekenntnis der Strafgefangenen entsprechenden Speisegebote Rücksicht zu nehmen; ist eine Rücksichtnahme auf diese Speisegebote nach den Einrichtungen der Anstalt nicht möglich, so ist den Strafgefangenen zu gestatten, sich insoweit eine diesen Geboten entsprechende Verpflegung unter Bedachtnahme auf Art und Maß der Anstaltskost von dritter Seite zur Verfügung stellen zu lassen.

Die Wirklichkeit

Was gibt es eigentlich in der Justizanstalt Stein für Insassen zu essen?

Abendessen: eine Scheibe Putenschinken und ein Gurkerl. Mittagessen: Fisolen im Wasser plus ein Knödel. Das Foto mit dem Müsli ist die Frühstücks-Ration für einen Monat. Dazu gibts zweimal die Woche Obst (11 Zwetschken) und täglich das Stück Brot wie abgebildet. Wer mehr als 5 Stunden arbeitet kriegt als „Zubuße“ einen halben Liter Formil.“

Florian Klenk auf Facebook. https://www.facebook.com/florian.klenk.7. abgerufen am 28.8.2024.

One Reply to “Das Strafvollzugsgesetz (StVG) ist 55 Jahre alt und noch immer nicht vollständig umgesetzt”

  1. Zu alledem kommt hinzu, dass es sich um Steuergeld handelt. Als Steuerzahler möchte ich, Nein vielmehr erwarte ich, dass InsassInnen den Gesetzen nach und der Menschen Würde entsprechend untergebracht und beaufsichtigt sind. Aktuell gibt es wieder einen bedenklichen Todes Fall, bei dem ein 43 jähriger Insasse der JA Graz-Karlau (Steiermark) durch Feuer in seiner Zelle ums Leben kam.
    Frage mich, was haben die Verantwortlichen dort für ein Brandschutz Sicherheitskonzept?
    Gibt es überhaupt zeitgemäße Technische Gegebenheiten in den Justiz Anstalten um die Sicherheit der Insassen zu gewährleisten?
    Die „Personalnot“ kann keine Ausrede sein, dass ein Häftling durch Feuer zu Tode kommt.
    Sehr bedenklich, erscheint mir auch dieser Todesfall.

    R.I.P Mensch

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