Ein offener Brief an Generaldirektor Koenig, nach der Berichterstattung des FALTER.
Der FALTER berichtete vor kurzem über die Zustände und Missstände in der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Hier die Reaktion eines Insiders dazu.

Lieber Generaldirektor Koenig!
Tja, was soll ich sagen, außer: Willkommen in der Realität. Die Einladung des Falter, unangekündigt die Haftanstalten zu besuchen, war wohl das, was man im Fußball ein klassisches Eigentor nennt.

Es wurde schonungslos offenbart, wie sehr sich Ihre Wunschvorstellung von der Realität unterscheidet. Klar, für jemanden wie Sie ist es einfach, aus dem geschützten, klimatisierten Ministerium heraus Dienstanweisungen zu erlassen und sich dann gemütlich zurückzulehnen. Die Durchführung passiert ja von alleine, nicht wahr? Aus den Augen, aus dem Sinn – oder zumindest dachten Sie das. Falsch!

Was besonders bedenklich ist: Sie gingen offenbar davon aus, dass kein Beamter von Ihren Besuchen erfahren würde. Aber spätestens bei Ihrer Ankunft in Stein wurde herumtelefoniert, und alle anderen Anstalten wussten Bescheid. Sie hatten Zeit, sich vorzubereiten. Und umso ärgerlicher für Sie, dass die letzte Station Ihrer Tour, die Anstalt Wien-Josefstadt, sich Ihnen trotzdem in ihrem realen Zustand präsentierte.

Hinter dem Landesgericht Wien befindet sich die Justizanstalt Wien-Josefstadt

Normalerweise, wenn hoher Besuch ansteht, wird alles Mögliche unternommen, um jegliche Missstände zu kaschieren. Die alkoholisierten Beamten werden in die hintersten Ecken verfrachtet, die Hafträume auf die Schnelle geputzt – alles soll im besten Licht erscheinen. Und dann kommen Sie mit Ihrer Delegation grinsend hereinspaziert, stolzieren durch die Anstalt und lassen sich jede blitzblanke Ecke zeigen. Ein kleines Pläuschchen mit der Anstaltsleitung, und dann zieht man zufrieden wieder ab. Keine Vorkommnisse – alles in bester Ordnung, nicht wahr?

Die Realität, Herr Generaldirektor, sieht jedoch anders aus. Sie sieht so aus wie das, was sie gesehen haben und ich Ihnen hier schildere. Und Ihr eigentliches Problem, die Anstaltsleitungen und deren treue Vasallen, ignorieren Sie beharrlich. Seit Sie Herrn Horngacher über die Klinge haben springen lassen, scheint Ihnen das Gespür für Korruption verloren gegangen zu sein. Oder ist es vielleicht Absicht, dass Sie die unfähigsten Leute als Anstaltsleiter und Wirtschaftsleiter auswählen? Ich rede nicht von deren Bildungsniveau, sondern von der entscheidenden menschlichen Komponente, die bei den meisten fehlt. Genau das sollte der Strafvollzug doch Ihrer Meinung nach sein: menschlich. Aber darüber machen Sie sich offenbar keine Gedanken. Menschlichkeit ist nämlich bei vielen Anstaltsleitern Fehlanzeige – sowohl gegenüber den Insassen als auch gegenüber den untergebenen Beamten. Aber das wird natürlich gerne ignoriert. Hauptsache, „ohne Vorkommnisse“.

Zurück zur Realität: Als ich das erste Mal im Rahmen meiner Ausbildung meinen Fuß in ein Gefängnis setzte, wurde mir schlagartig klar, wie die Wirklichkeit aussieht. Nach außen wird der geregelte, menschliche, moderne Strafvollzug propagiert, während es drinnen eher an eine gruselige Geisterbahn erinnert. Flackernde Leuchtstoffröhren, dunkle, kahle Gänge – von modernem Strafvollzug, wie Sie ihn gerne darstellen, keine Spur.

Und vom Olymp Ihres Amtes aus meinen Sie wirklich, dass alles in Ordnung sei?

Sie haben Herrn Klenk eine sofortige Beseitigung der Missstände versprochen. Aber wie wollen Sie das bitte anstellen? Zunächst müssten Sie die Anstaltsleiterin loswerden. Doch hier sind wir wieder bei der Realität: Sie wird bleiben. Sie werden ihr zwar ordentlich den Marsch blasen, aber ihre eigene Unfähigkeit wird sie nie eingestehen. Stattdessen wird sie den Frust auf die Beamten abladen – jene Beamten, die trotz Personalmangel, endloser Überstunden und unmenschlicher Arbeitsbedingungen versuchen, das Unmögliche zu leisten. Ihre Inkompetenz in leitenden Funktionen hat sie bereits eindrucksvoll in der ehemaligen Vollzugsdirektion bewiesen, wo sie – aus offensichtlichen Gründen – zur Schreibkraft degradiert wurde. Aber dann kam die sogenannte „Revolution“: Von der Vollzugs- zur Generaldirektion, und plötzlich wurde sie aus der Versenkung hervorgekramt, abgestaubt und als Leiterin eingesetzt. Mit – wie wir mittlerweile deutlich sehen können – äußerst mäßigem Erfolg.

Und um das auch mal klarzustellen: Nicht alle Beamten sind korrupte Alkoholiker oder Rassisten. Der Großteil leistet großartige Dienste, steht Tag und Nacht im Dienst und muss die Fehler ausbügeln, die inkompetente Anstaltsleiter und deren Vasallen verursachen.

Mein Tipp an Sie, als langjähriger Beamter: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Kümmern Sie sich lieber um das wahre Problem, anstatt kosmetische Bereinigungen der „Missstände“ vorzunehmen. Und glauben Sie mir: Nur weil Sie den neuen Bewerbern für den Justizwachdienst jetzt eine Jahreskarte für die Wiener Linien spendieren, wird der Ansturm auf diesen Beruf nicht größer. Die Arbeit ist und bleibt undankbar und miserabel, und das wissen die Menschen da draußen ganz genau. Und um auch für Sie, Herr Generaldirektor, eine Lanze zu brechen: Sie haben zweifellos einen verdammt harten Job. Die höchste Verantwortung in diesem Ressort zu tragen, verdient meinen Respekt. Dafür gebührt Ihnen Anerkennung. Aber bitte vergessen Sie eines nie: Nur weil es „keine Vorkommnisse“ gibt, bedeutet das noch lange nicht, dass alles in Ordnung ist. Die Fassade mag glatt aussehen, aber darunter modert es.

Ein Gastbeitrag von „Gerichtsvollzieher“

2 Replies to “Eigentor in der Josefstadt”

  1. Der JA Mittersteig gehen die Beamten aus.
    Da bleibt mittlerweile meistens alles zugesperrt.
    Eigentlich gibt es dort seit Monaten nur mehr einen Notbetrieb. Es passiert nichts.

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