Gewalt gegen Frauen ist ein drängendes gesellschaftliches Problem. Warum Frauen häufig Opfer von tödlicher Gewalt durch ihre Partner oder Ex-Partner werden, welche tiefen Strukturen in unserer Gesellschaft dafür verantwortlich sind und wie wir als Gesellschaft wirksamer handeln können – darüber spricht Maria Rösslhumer. Mit klaren Worten beleuchtet sie die Rolle von patriarchalen Strukturen, die Verantwortung von Behörden und Medien sowie die Bedeutung von Prävention und Aufklärung, um Frauen und Mädchen besser zu schützen. Ein aufrüttelnder Appell für mehr politischen Willen und gesellschaftliche Verantwortung.
Im Rahmen der Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ hat unsere Junior-Redakteurin Vanessa ein Interview mit Maria Rösslhumer geführt.
Blickpunkte: Frau Rösslhumer, warum gibt es Ihrer Meinung nach so viele Fälle, in denen Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet werden?
Maria Rösslhumer: Gewalt gegen Frauen ist ein sehr komplexes und vielschichtiges Thema, das in den Strukturen unserer Gesellschaft wurzelt. Wir leben immer noch in einer Männerdominanz, die Normen, Werte und Gesetze bestimmt. Frauen haben zwar Fortschritte erzielt, etwa seit 1997, als Feministinnen erstmals ein Gesetz, nämlich das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie, mitgestalten konnten, aber grundlegende gesellschaftliche Strukturen bleiben unverändert.
Dazu kommt ein tiefer Frauenhass und toxische Männlichkeitsbilder. Viele Männer glauben, Frauen besitzen oder kontrollieren zu können. Behörden und Medien nehmen Frauen oft nicht ernst und neigen dazu, den Opfern die Schuld zu geben – Victim-Blaming. Frauen wird vorgeworfen, sie hätten sich nicht rechtzeitig getrennt oder hätten sich falsch verhalten, während das Verhalten der Täter oft ignoriert oder nicht ausreichend sanktioniert wird.
Blickpunkte: Finden Sie, dass Täter in solchen Fällen eine gerechtfertigte Strafe erhalten, oder sollte man da noch etwas verbessern?
Maria Rösslhumer: Es ist wichtig, dass Täter frühzeitig mit klaren Konsequenzen konfrontiert werden. In Österreich erleben wir jedoch oft, dass Täter nach Anzeigen auf freiem Fuß bleiben und weiterhin eine Gefahr für ihre Opfer darstellen. Ein gutes Beispiel ist Spanien: Dort werden Gewalttäter nach einem Betretungsverbot und bei einer Anzeige sofort 24 Stunden in Haft genommen, um ihre Gefährlichkeit einzuschätzen. Ist das Risiko hoch, bleibt der Täter bis zu 48 Stunden in Gewahrsam. Solche Maßnahmen bräuchten wir hier dringend, um Frauen besser zu schützen.
Blickpunkte: Wie können Außenstehende erkennen, dass jemand in einer gewalttätigen Beziehung lebt?
Maria Rösslhumer: Das Erkennen von Gewalt ist schwierig, selbst für Expertinnen. Aber es gibt Anzeichen: laute Auseinandersetzungen in der Nachbarschaft oder sichtbare Veränderungen im Verhalten der Betroffenen. Wichtig ist, sich nicht abzuwenden. Wenn Sie das Gefühl haben, jemand könnte betroffen sein, sprechen Sie die Person an, bieten Sie Hilfe an, zum Beispiel durch die Weitergabe von Kontaktdaten zu Hilfsorganisationen. Auch anonyme Aushänge mit wichtigen Telefonnummern im Stiegenhaus eines Wohnhauses können helfen.
Blickpunkte: Woher kommt Ihrer Meinung nach der Hass von Männern auf Frauen?
Maria Rösslhumer: Das liegt an tief verwurzelten patriarchalen Strukturen und traditionellen Rollenmuster. Frauen werden immer noch auf ihre Rolle als Familienversorgerinnen reduziert. Wenn sie diese verlassen oder hinterfragen, stoßen sie oft auf Widerstand. Gleichzeitig fehlt es an gesellschaftlicher und politischer Wertschätzung für die Leistungen von Frauen. Das schafft Frustration und Ungleichheit, die sich in Gewalt entladen kann.
Blickpunkte: Wie können wir die jüngere Generation, vor allem Mädchen, vor Gewalt schützen?
Maria Rösslhumer: Es braucht umfassende Bewusstseins- und Bildungsarbeit – nicht nur bei Mädchen, sondern vor allem bei Burschen. Jungen müssen lernen, dass echte Männlichkeit Verantwortung, Respekt und ein gleichwertiger Umgang auf Augenhöhe mit anderen bedeutet, und sie kein Recht haben Frauen zu besitzen und zu beherrschen, Beziehungen bzw. Partnerschaften müssen gepflegt werden, das muss früh vermittelt werden – in der Familie, in der Schule und in der Gesellschaft.
Gleichzeitig ist es wichtig, Mädchen zu stärken, ihnen zu zeigen, dass sie wertvoll sind, dass Gewalt niemals akzeptabel ist, und sie über Beratungsangebote zu informieren.
Blickpunkte: Wie erkennt ein jugendliches Mädchen, dass etwas bereits sexuelle Belästigung ist?
Maria Rösslhumer: Das spürt jede Frau für sich selbst. Gewalt beginnt dort, wo etwas unangenehm ist oder wenn sie sich verletzt fühlt. Sexuelle Belästigung fängt schon bei taxierenden Blicken, sexistischen Witzen oder körperlicher Nähe an, die nicht gewünscht ist. Es ist wichtig, solche Situationen ernst zu nehmen und Hilfe zu suchen.
Blickpunkte: Viele Frauen sagen, dass sie abends im Wald lieber einem Bären als einem fremden Mann begegnen würden. Was denken Sie dazu?
Maria Rösslhumer: Gefährlich können beide Situationen sein, aber Statistiken zeigen, dass das eigene Zuhause für Frauen oft der gefährlichste Ort ist. Die meisten Gewaltfälle passieren nicht in der Öffentlichkeit, sondern innerhalb der eigenen vier Wände, oft durch den Partner oder Ex-Partner oder männliche Familienangehörige
Blickpunkte: Was halten Sie von der Aussage: „Nicht jeder Mann ist gefährlich, aber jede Frau erlebt mindestens einmal im Leben Gewalt“?
Maria Rösslhumer: Diese Aussage stimmt leider. Jede dritte Frau erlebt statistisch gesehen sexuelle Gewalt, und fast jede Frau hat schon Erfahrungen mit Belästigung gemacht. Männer sind davon deutlich seltener betroffen.
Blickpunkte: Möchten Sie abschließend noch etwas hinzufügen?
Maria Rösslhumer: Ja, es fehlt in Österreich oft der politische Wille, Gewalt gegen Frauen umfassend zu bekämpfen. Es gibt zwar Hilfseinrichtungen und Gesetze, aber keine einheitliche und wirksame Strategie, die alle Maßnahmen koordiniert. Ein erschreckendes Beispiel ist, dass Frauen in Gefahr oft keinen Polizeischutz erhalten, während bei einem Amoklauf wie kürzlich in Oberösterreich gleich 50 Männer sofort geschützt wurden. Das zeigt, wie sehr das Thema unterschätzt wird, obwohl es Leben retten könnte.
Blickpunkte: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Rösslhumer.
Zur Person:
Mag.a Maria Rösslhumer, Politikwissenschaftlerin, war Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF), Leiterin der Frauenhelpline gegen Gewalt (0800/222 555) www.frauenhelpline.at und Onlineberatung www.haltdergewalt.at, von 1999-2017 Geschäftsführerin des Vereins WAVE (Women Against Violence Europe), des Europäischen Netzwerks gegen Gewalt an Frauen und Kindern www.wave-network.org . Vorstandsmitglied des Österreichischen Frauenrings und Mitgründerin des Vereins OBRA (ONE BILLION RISING AUSTRIA), Vorstandsmitglied von MAMANET Austria, Trainerin, Gender- und Gewaltexpertin. www.aoef.at, Gesamtkoordination von StoP-Margareten und StoP-Österreich www.stop-partnergewalt.at.
Ein großartiges Interview mit einer großartigen Expertin.
Man kann nicht aufhören darauf hinzuweisen Männer sind eben nicht „das stärkere Geschlecht“.
Männer Gewalt ist oft auch Ausdruck eigener Hilflosigkeit, mangelnder Kommunikationsfähigkeit, mangelnde Bildung, Familiäre Verwahrlosung, auch eigene Ängste spielen eine große Rolle.
Die Gute Nachricht:
Viele Möglichkeiten gibt es wo Männer (auch anonym) ihre Fähigkeiten und Kompetenzen im sozialem Umgang erlernen, ausbauen und auch erproben können.
Zuschlagen und psychischen Druck ausüben auf andere, ist eine klare Entscheidung. Die wesentlich bessere Entscheidung ist jedoch, ehrlich zu sich selbst zu sein und rechtzeitig Unterstützung einholen. Niemand muss Gewalt gegen Mensch, Tier oder sich selbst anwenden.
Es gibt Anlaufstellen, welche professionell, kostenlos und rasch unterstützen.
Bspw.
Männer Beratung
https://www.maenner.at/
In akuter Krise:
https://www.maennerinfo.at/
Telefonseelsorge
Tel. Nr.: 142
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Sei ein cooler Typ und schütze jedes Lebewesen.