Frisch Entlassene aus der Justizanstalt (JA) sind oftmals ein wenig überfordert. Neben einer leistbaren Wohnung ist auch eine passende Arbeitsstelle wichtig. Doch wie soll man das alles hinkriegen, nachdem man jahrelang vom normalen Alltag weg war?

Es gab eine Zeit, da fiel es Thomas schwer, daran zu glauben, dass er jemals eine eigene Wohnung haben würde. Und doch steht er jetzt in seiner Wohnküche und gießt sich eine Tasse Tee auf. Der junge Mann hat einige schwere Jahre hinter sich. Zuerst dachte er noch, die Haft sei das Schlimmste. Aber nach einiger Zeit gewöhnte er sich an den Alltag. Er wusste, wie alles läuft in der JA. Mit wem man befreundet sein musste, wem man besser aus dem Weg ging. Nach einigen Jahren hinter Gitter war das schlimmste dann der Gedanke, draußen klarkommen zu müssen.

Auch wenn Thomas nicht wirklich existiert, so sind diese Ängste für viele Insassen sehr real. Es ist daher wichtig, diese Furcht zu nehmen und Perspektiven nach der Haftentlassung aufzuzeigen. Den Menschen zu zeigen, dass sie auch nach dem Verlassen der JA nicht auf sich allein gestellt sind. Selbst wenn „draußen“ niemand auf sie wartet.

Frisch Entlassene wissen oftmals nicht, wo sie anfangen sollen. Eine Schlafstelle bekommt man nicht ohne Nachweis über regelmäßige Arbeit. Einen Job ohne Wohnung zu finden, ist schwer. Es ist ein Teufelskreis. Den zu durchbrechen, hilft die Organisation NEUSTART.

Schon ein halbes Jahr vor der Entlassung können Insassen mit einer Sozialarbeiterin der Organisation die Weichen für einen guten Start ins neue Leben stellen. Sollte versäumt worden sein, über NEUSTART zu informieren, kann man auch direkt dort anrufen. Innerhalb von zwei Wochen findet dann ein Erstgespräch statt. Sollte versäumt worden sein, über Neustart zu informieren, kann man auch direkt bei der jeweiligen Einrichtung im Bundesland anrufen.

Josef Landerl, Leiter NEUSTART Oberösterreich
Foto: Thomas Holly Kellner

Job oder Wohnung?

Bei der Haftentlassenenhilfe, einer freiwilligen Leistung, wird beides in Angriff genommen. Es stehen für den Anfang erst Startwohnungen zur Verfügung. Diese sollen dafür sorgen, dass neu Entlassenen nicht auf der Straße enden, wenn sie keine Familie oder Freunde haben, die sie aufnehmen können. Diese Wohnungen sind auf eine Aufenthaltsdauer von maximal acht Wochen begrenzt. Wichtig ist auch noch anzumerken, dass diese Unterkünfte nur in Linz zur Verfügung stehen. „Man muss aber kein Linzer sein, um eine von diesen Wohnungen nutzen zu können“, merkt Josef Landerl, Leiter von NEUSTART Oberösterreich, dazu an. In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Angebote. So stellt zum Beispiel auch NEUSTART Wien 25 Wohnungen für eine Dauer von maximal drei bis sechs Monaten zur Verfügung.

Sollte sich in dieser Zeit keine Wohnung auf dem privaten Markt oder bei einer anderen Organisation wie zum Beispiel der Caritas auftun, muss auch keine Panik aufkommen. In Linz gibt es die Möglichkeit, im Betreuten Wohnen unterzukommen. Diese 26 Unterkünfte können für eine Dauer von maximal 20 Monaten genutzt werden. „Es ist keine Dauerlösung“, erklärt Landerl dazu.

Eine Wohnung muss man sich leisten können, auch wenn es bei den betreuten Wohnunterkünften nur um eine Miete von 200 bis 300 Euro geht. Da kann es mit der Notstandshilfe knapp werden. Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren um einiges zugunsten der Arbeitnehmer geändert. Vorurteile gegenüber Haftentlassenen sind zwar noch vorhanden, jedoch kein Ausschlusskriterium mehr. Oft haben Menschen, die längere Zeit hinter Gittern verbracht haben, Schwierigkeiten, sich im Berufsleben zurechtzufinden. Sie tun sich schwer, wenn es um Pünktlichkeit, Umgangsformen oder soziale Interaktion geht.

Foto: (c) feelimage / Matern

Hier hilft ein weiteres Angebot von NEUSTART weiter: die Werkstatt. Es handelt sich um ein Jobangebot, das die unterschiedlichsten Branchen umfasst. Angefangen von Gärtnerarbeiten über Umzüge bis zu Malertätigkeiten ist für jeden etwas dabei. Um hier mitarbeiten zu können, muss keine Berufsausbildung vorhanden sein. Arbeitswille und Verlässlichkeit reichen aus. Ausgebildete Vollzeitmitarbeiter stehen den Haftentlassenen stets zur Seite, sie werden nicht alleine gelassen. Der Leiter von NEUSTART stellt aber klar: „Uns ist bewusst, dass wir mit Menschen arbeiten, die teilweise Defizite haben. Bei uns fliegt keiner gleich raus, wenn er mal nicht kommt. Eine gewisse Verlässlichkeit muss man aber an den Tag legen.

Genau wie bei der Wohnung soll auch die Arbeit in der Werkstatt als Sprungbrett in die Privatwirtschaft dienen. Es gibt einige Mankos, die es den Entlassenen am normalen Arbeitsmarkt schwer machen, Fuß zu fassen. Um die in den Griff zu kriegen, wird in der Werkstatt immer wieder Feedback gegeben. Was war gut, was kann noch verbessert werden? Diese Rückmeldung erfolgt durch einen Facharbeiter.

Das erklärte Ziel: Rückfallquote senken.

Die oberste Priorität ist es, die Entlassenen vor einem Rückfall zu bewahren. „Wenn wir Menschen betreuen, bleiben zwei Drittel von ihnen straffrei.“ sagt Landerl mit einem gewissen Stolz. Diese gute Quote ist hart erarbeitet. Neben der Grundversorgung (Wohnung und Arbeit) setzt man sich mit den Entlassenen auch mit dem „Warum“ auseinander. Der Leiter von NEUSTART Oberösterreich bringt es auf den Punkt: „Es gibt den „bösen Menschen“ nicht, den gibt es nur im Fernsehen. Jeder hat eine eigene Geschichte, ein eigenes Umfeld und wir alle sind ein Produkt unserer Familie, unseres Umfeldes.

Im Rahmen der Deliktverarbeitung wird beleuchtet, welche Faktoren zur Straffälligkeit geführt haben. Dieses, mehrere Monate dauernde, Programm wird vom Sozialarbeiter und dem Klienten gemeinsam durchgeführt. Es wird unter anderem analysiert, was die Risikofaktoren sind und wie diese minimiert werden können. Die Elemente, die vor einem Rückfall schützen, sollen ausgebaut werden. Diese Faktoren sind individuell unterschiedlich. So können Freunde sowohl ein Risikofaktor als auch ein Schutz vor erneuter Straffälligkeit sein – ganz abhängig davon, wie sie ihr Leben im Griff haben. Bei Freunden, die einer geregelten Arbeit nachgehen, Sport machen und sozial sind, liegt die Rückfallquote niedriger. Sind sie hingegen in der Drogenszene aktiv oder aggressiv, dann ist die Gefahr selbstverständlich höher.

Wenn Menschen von der Polizei mit einem Betretungs- und Annäherungsverbot belegt werden, müssen sie bei Neustart eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung machen. Hierbei müssen sechs Stunden innerhalb von zwei Monaten abgeleistet werden. Für die Beratung steht bei Bedarf auch ein Dolmetscher zur Verfügung. Männer machen hierbei 90 % der Klienten aus. Daher arbeitet NEUSTART auch eng mit der Männerberatung des Landes Oberösterreich zusammen.

Jeder kann was tun.

Jeder Bürger kann aktiv dazu beitragen, dass wir weniger Kriminalität in der Gesellschaft haben. Viele Menschen verschließen die Augen, wenn sie ein Verbrechen mitkriegen. Doch statt die Polizei zu informieren, wird es ignoriert. Ich will da nicht mitreingezogen werden, ist eine der üblichen Ausreden. Es geht mich auch gar nichts an, ist eine andere. Das ist jedoch keine Haltung, die man als mündiger BürgerIn an den Tag legen sollte und dürfte. Zivilcourage trägt zu mehr Sicherheit und weniger Kriminalität bei.

Eine weitere Möglichkeit, etwas zur Verbrechensprävention beizutragen, ist die freiwillige Mitarbeit bei Sozialeinrichtungen wie NEUSTART. Die Organisation benötigt ehrenamtliche MitarbeiterInnen im Bereich Bewährungshilfe. Hierbei ist keine spezielle Ausbildung nötig, nur Freude am Umgang mit Menschen und Engagement. In Oberösterreich arbeiten derzeit 150 MitarbeiterInnen, es werden aber dringend weitere Freiwillige gesucht, die Haftentlassene auf ihrem Weg begleiten. Helfen Sie mit, zur Veränderung beizutragen. Bitte kontaktieren Sie Herrn Landerl von NEUSTART Oberösterreich dazu für weitere Informationen: 0676/847 331 416.

Titelfoto: (c) feelimage / Matern

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