Justizanstalten, beispielsweise in Niederösterreich, kämpfen mit Überlastung – die Gewerkschaft warnt vor Sicherheitsrisiken.
Die österreichischen Justizanstalten stehen vor einer massiven Belastungsprobe: Immer mehr InsassInnen, fehlendes Personal und unzureichende Infrastruktur bringen den Strafvollzug an seine Grenzen. Besonders in Niederösterreich sind die Gefängnisse chronisch überfüllt – mit gravierenden Auswirkungen auf das System, das sowohl die JustizwachebeamtInnen als auch die Häftlinge betrifft. Während das Justizministerium Ursachen wie pandemiebedingte Haftaufschübe und Sanierungsmaßnahmen nennt, schlagen Gewerkschaften und ExpertInnen Alarm. Die aktuellen Entwicklungen werfen grundsätzliche Fragen über den Zustand des österreichischen Strafvollzugs auf.
Überfüllung als Dauerzustand – fünf Gefängnisse über der Kapazitätsgrenze
Ein Bericht des ORF Niederösterreich zeigt die dramatische Lage auf: Von den zehn Justizanstalten in Niederösterreich sind fünf deutlich überbelegt. In Korneuburg liegt die Belegungsrate bei 115 Prozent, in Wiener Neustadt bei 114,3 Prozent, in Hirtenberg bei 106,9 Prozent, in St. Pölten bei 106,3 Prozent und in Sonnberg bei 104,1 Prozent. Um Platz für die steigende Zahl an Häftlingen zu schaffen, mussten Betten aufgestockt werden – buchstäblich. „Es werden jetzt Stockbetten verwendet, um mehr Personen unterzubringen“, berichtet Wilhelm Terler von der Justizwachegewerkschaft GÖD.

Doch die Folgen sind gravierend: In vielen Gefängnissen können Werkstätten nicht betrieben werden, weil die dafür notwendigen Räume nun als Hafträume genutzt werden. Die Beschäftigung der Häftlinge wird dadurch erschwert, was das Aggressionspotenzial innerhalb der Anstalten steigen lässt. „Je weniger die Häftlinge beschäftigt werden, desto mehr beschäftigen sie uns“, warnt Terler und verweist auf die steigenden Herausforderungen für die Justizwache.
Strukturprobleme und Reformstau: Wie konnte es so weit kommen?
Das Justizministerium sieht die Ursachen für die hohe Belegung in einer Reihe von Faktoren:
- Demografische Entwicklungen: Die Zahl der Inhaftierten steigt kontinuierlich.
- Unabhängige Rechtsprechung: Gerichte entscheiden zunehmend für härtere Strafen oder längere Haftdauern.
- Sanierungsmaßnahmen: Aufgrund baulicher Mängel müssen immer wieder Hafträume gesperrt werden, wodurch sich die Situation in den verbleibenden Bereichen zuspitzt.
- Reorganisation des Maßnahmenvollzugs: Die Zunahme der Einweisungen und der Umgang mit psychisch kranken StraftäterInnen haben ebenfalls Einfluss auf die Belegungssituation.
Ein zentrales Problem bleibt jedoch der Platzmangel: In vielen Justizanstalten fehlen dringend benötigte Räumlichkeiten, um den Strafvollzug angemessen zu gestalten. Insbesondere die Resozialisierung – ein Kernanliegen des modernen Strafvollzugs – leidet unter der Überbelegung.
Personalmangel: 100 JustizwachebeamtInnen fehlen allein in Niederösterreich
Die angespannte Situation wird durch eine weitere Problematik verschärft: den akuten Personalmangel. Während das Justizministerium betont, dass 96 Prozent der Planstellen besetzt sind, widerspricht die Gewerkschaft deutlich. Allein in Niederösterreich fehlen rund 100 JustizwachebeamtInnen.
Die Folge: Ein hoher Arbeitsdruck für das vorhandene Personal, das sich zunehmend überlastet fühlt. „Die Überstunden steigen, das Sicherheitsrisiko nimmt zu“, so Terler. Besonders besorgniserregend ist, dass weniger Personal bedeutet, dass auch die Kontrolle innerhalb der Gefängnisse schwieriger wird – mit potenziell gefährlichen Konsequenzen. Auch auf Bundesebene schlägt die Gewerkschaft Alarm: Österreichweit sind Hunderte Stellen unbesetzt. Die Ausbildung neuer JustizwachebeamtInnen dauert jedoch mehrere Jahre, was kurzfristige Entlastung erschwert.
Sicherheitsrisiko für BeamtInnen und InsassInnen
Die angespannte Lage hat auch unmittelbare Folgen für die Sicherheit. Je voller die Justizanstalten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von Gewalt und Konflikten unter den InsassInnen – aber auch gegenüber dem Wachpersonal.
„Wir sehen vermehrt Übergriffe auf JustizwachebeamtInnen“, berichtet ein Insider aus dem Strafvollzug. „Viele KollegInnen sind ausgebrannt, weil sie mit der Situation nicht mehr zurechtkommen.“ Die Gefahr steigt, wenn die Inhaftierten keine ausreichende Beschäftigung haben, sei es durch Arbeit, Ausbildung oder therapeutische Maßnahmen.
Ein weiteres Problem ist die Unterbringung von gefährlichen StraftäterInnen. Da Plätze in Spezialabteilungen fehlen, werden sie teilweise in regulären Haftanstalten untergebracht – was sowohl für andere InsassInnen als auch für das Personal ein enormes Risiko darstellt.
Welche Lösungen gibt es?
Der Rechnungshof hat die österreichischen Justizanstalten bereits in mehreren Berichten kritisiert. Besonders die Überbelegung und der Personalmangel stehen dabei im Fokus. Doch was sind die möglichen Lösungen?
- Mehr Personal: Es braucht dringend mehr JustizwachebeamtInnen, um den Strafvollzug sicherer zu machen. Dafür sind bessere Anreize nötig – sei es durch höhere Gehälter, attraktivere Arbeitsbedingungen oder schnellere Ausbildungsprogramme.
- Neubauten und Sanierungen: Um die Überbelegung zu reduzieren, müssen entweder bestehende Anstalten ausgebaut oder neue Gefängnisse errichtet werden.
- Alternative Strafkonzepte: Kurzhaftstrafen sollten verstärkt durch Alternativen wie Fußfesseln ersetzt werden, um Platz für wirklich gefährliche TäterInnen zu schaffen.
- Bessere Resozialisierung: Programme zur Wiedereingliederung von Häftlingen müssen gestärkt werden, um Rückfälle und damit eine langfristige Überlastung des Systems zu vermeiden.
Die ehemalige Justizministerin Alma Zadić betonte, dass die Probleme bekannt sind und an Lösungen gearbeitet werde. Doch Gewerkschaften und ExpertInnen fordern rasches Handeln, bevor die Situation endgültig eskaliert.
Der Strafvollzug braucht eine Reform – und zwar schnell
Österreichs Gefängnisse sind überfüllt, unterbesetzt und stehen vor immer größeren Herausforderungen. Die Überlastung der Justizanstalten ist nicht nur ein Problem für die Inhaftierten, sondern auch für das Personal, das unter schwierigen Bedingungen arbeitet. Wenn nicht bald Maßnahmen ergriffen werden, droht ein Kollaps des Systems – mit fatalen Folgen für Sicherheit und Resozialisierung.
Die Politik steht unter Zugzwang: Eine grundlegende Reform des Strafvollzugs ist unumgänglich. Die Frage ist nicht, ob gehandelt werden muss – sondern wie schnell.
„Während das Justizministerium betont, dass 96 Prozent der Planstellen besetzt sind, widerspricht die Gewerkschaft deutlich“.
Immer wieder erstaunlich wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein können. Scheinbar fehlt der Konsens zu einem gemeinsamen Perspektiven Wechsel aber auch an konstruktiver Zusammenarbeit. Aussenstehenden interessierten Beobachtern wie mir, kommt es vor als würde jeder gegen jeden in diesem System arbeiten. Anstatt endlich die Reformen welche Lokale und Internationale echte Expert*innen seit Jahren einfordern rasch umzusetzen, verpuffen diese da irgendwelche Ideologien, sowie mangelndem Mut sich einem Menschen Rech’skonformen Straf,- und Maßnahmenvollzug einzulassen. Frage mich wie oft noch soll uns der EuGH verurteilen für die Verfehlungen?