Ich habe mir schon Gedanken gemacht, ob ich unter dem Stockholm Syndrom leide, aber der Artikel in Blickpunkte über die Verpflegung in Haft stößt mir ungut auf. Ich bin hier in der Justizanstalt Garsten (OÖ) immer wieder mitabwertenden Aussagen von Insassen über das Essen konfrontiert. Es ist aber auffällig, dass es immer die gleichen Menschen sind, die unqualifiziert maulen.
Am Material liegt es jedenfalls nicht. Aus jahrzehntelang Erfahrung weiß ich, dass es nicht immer 1A-Ware sein kann. Ausnahmen kann es immer wieder mal bei Obst oder Gemüse geben, was aber nicht bedeutet dass es schlecht ist. Witterungs- und lagerungsbedingte Beeinträchtigungen kommen eben vor.
Es kann auch passieren, dass den Küchenjungs etwas einfach misslingt, aber im Großen und Ganzen gibt es gutes, manchmal sogar sehr gutes Essen hier in Garsten. In der Justizanstalt Stein (NÖ) soll es in etwa das selbe Niveau erreichen. Ich weiß aber auch, dass viele Österreicher froh wären, wenn sie ein Frühstück aus der Justizanstalt Wien-Josefstadt serviert bekämen. Die Ausnahme ist der Kaffee, der ist nicht trinkbar.
Es sind zwei Probleme welche manchen Menschen Unmut bereiten. Das erste ist der sich ständig wiederholende Speiseplan, was aber normal ist und nichts mit der Qualität der Nahrung zu tun hat. Ein Beispiel: etwa alle 14 Tage gibt es einen griechischen Salat bestehend aus Tomaten, Gurken, Zwiebel und Oliven. Und extra dazu eine Packung griechischen Feta Käse, welcher von hoher Qualität und für Liebhaber ein Genuss ist. Meinen Geschmack trifft es bedauerlicherweise nicht, aber das ist mein Problem. Ein Rezept habe ich schon gefunden welches mir und anderen diesen Käse schmackhaft macht. Es reicht aber, wenn ich ihn alle 2-3 Monate so zubereitet. Leider bleibt eine beachtliche Menge im Haus übrig. Manchen stoßen die wöchentlichen Würste wie zum Beispiel Käsekrainer, Frankfurter, Knacker oder Weißwürste auf. Mir als Wiener, von jahrelangem Entzug in Floridsdorf diesbezüglich ausgehungert, läuft dabei das Wasser im Mund zusammen. Dazu gibt es Senf und Semmel, Kornspitz oder Brezel. Das Brot ist täglich frisch, lauwarm und knusprig.
Der nächste rümpft die Nase wenn es zweimal im Monat ein halbes Huhn gibt. Der andere jammert über den regelmäßig gebackenen Fisch. Ich selbst mag keine Hühnerbrust, Puten- und Rindfleisch mehr. Ich bin durch die Justizanstalt Wien-Floridsdorf übersättigt, da es aus organisatorischen Gründen eineinhalb Jahre ausschließlich Ritualkost, also schweinefleischfreies Essen gegeben hat und ich übersättigt bin.
Das zweite Problem ist das mangelnde Fachpersonal. 2023 war es im Forensisch-Therapeutischen-Zentrum Wien-Mittersteig soweit, dass sie eine Köchin einstellen mussten, da man keinen Untergebrachten fand, welcher den Aufgaben in der Küche fachgerecht nachkommen konnte. Am Mittersteig und Floridsdorf ist es bereits üblich, dass an Feiertagen sowie Wochenenden eine Packung „Gourmet Menü“ serviert wird. Na Mahlzeit!

Ich befürchte, das wird die Zukunft sein. Auch hier in Garsten werden schon sehr viele fabrikfertige Lebensmittel verarbeitet. Vor einiger Zeit bereiteten wir in Stein noch Powidltascherl für 850 Häftlinge selbst zu. Die Küche rückte samt Fleischer um 5:00 Uhr aus, und alle halfen zusammen. Am Mittersteig bereiteten wir handgezogenen Topfenstrudel zu aber auch Rinderrouladen, Cordon bleu und so weiter. Heute wollen die Untergebrachten nicht um 6:00 Uhr ausrücken oder überhaupt arbeiten. Und die wenigen die willig wären, haben keine Ahnung und keine Erfahrung.
Da auch unter der Justizwache Personalmangel herrscht, und verständlicher Frust ebenso vorhanden ist, scheint es schwer, dass sich die Situation verbessert. Es ist ein Jammer, nach über 30 Jahren Gefängnis-Erfahrung kann ich behaupten, dass sich die Häftlinge selbst viele Annehmlichkeiten, Privilegien, Freiheiten und Fortschritte der letzten Jahre durch Missbrauch entledigt haben.
Bis zum nächsten Mal und jetzt Rauchpause!
Euer Heinz aus Garsten